| # taz.de -- Bundeskanzler und Haushaltsstreit: Die Mysterien des Kanzlers | |
| > Olaf Scholz spricht selbst bei Machtworten in Rätseln. Ist das noch Drama | |
| > oder schon Komödie – im vielleicht letzten Akt der Koalition? | |
| Bild: Scholz zu Haushalt-Gutachten: „Das geht“ | |
| Machtwort ist ein autoritärer Begriff. Er bezeichnete die Fähigkeit des | |
| Papstes, Debatten final zu entscheiden, ohne Wenn und Aber. Das Machtwort | |
| ist in demokratisch gewählten Koalitionsregierungen eher ein Fremdkörper. | |
| Es ist das letzte Mittel des Kanzlers, eine Entscheidung herbeizuführen, | |
| wenn die üblichen Mechanismen der Konsensbildung versagen. Kanzler, die | |
| Machtworte sprechen, wirken erst einmal entschlossen. Aber das ist nur der | |
| Anschein von Stärke, der profunde Schwächen verbergen muss. | |
| Olaf Scholz hat das Spektrum der Machtwortinszenierung um eine | |
| überraschende Facette erweitert: das Machtwort als Rätsel. Was ist | |
| passiert? [1][In dem endlosen Streit über den Haushalt hatte sich die Ampel | |
| darauf geeinigt, Geld für Bahn und Autobahnen außerhalb von Etat und | |
| Schuldenbremse als Darlehen lockerzumachen]. Finanzminister Christian | |
| Lindner, Anhänger des Schuldenbremsenfetischismus, hatte das juristisch | |
| prüfen lassen. | |
| In dem Gutachten ist von „rechtlichen Risiken“ die Rede. Lindner hält | |
| Staatsgeld für die Bahn nun für vielleicht möglich, für die | |
| Autobahngesellschaft nicht. Auftritt Scholz: Das Ergebnis des Gutachtens | |
| sei klar, „das geht“. Mehr noch: Es sei ein „Mysterium, wie das klare Vot… | |
| des Gutachtens vorübergehend grundfalsch aufgefasst werden konnte“. | |
| Bislang war Scholz immer äußerst bemüht, [2][die in der Regierung | |
| sterbensunglücklich wirkende FDP nicht zu provozieren] und ein Kentern des | |
| wackelnden Regierungsschiffs unbedingt zu verhindern. Die knappe Botschaft | |
| aus dem Urlaub hieß nun: Der Kanzler bescheinigt dem Finanzminister, | |
| unfähig zu sein, juristische Gutachten zu begreifen. Ein echter Schlag ins | |
| Kontor. Und vielleicht der Anfang vom Ende der Ampel. | |
| ## Überschaubares Muster | |
| Oder doch nicht? Die Regierungssprecherin beteuerte jedenfalls, dass Scholz | |
| gar nicht Lindner gemeint habe. Aber wen dann? Es ist ein Mysterium, wie | |
| die klare Botschaft des Kanzlers vorübergehend grundfalsch aufgefasst | |
| werden konnte. | |
| Die Dramaturgie der Ampelkonflikte folgt einem überschaubaren Muster. Ein | |
| Streit baut sich auf, Drohgebärden von allen Seiten, vor allem von der FDP. | |
| Es folgt eine dramatische Nachtsitzung, die von der feierlich verkündeten | |
| Einigung und allseitigen Beteuerungen gekrönt wird, diesen Zirkus ab jetzt | |
| zu vermeiden. Die Einigung wird nach ein paar Tagen dann angezweifelt oder | |
| aufgekündigt. Dann beginnt das Spiel wieder von vorne. | |
| Diese Mechanik ist nun um ein Machtwort erweitert worden, das vielleicht | |
| gar kein Machtwort war, vielleicht aber auch doch. Wie bei sehr | |
| langwierigen Ehekrisen taucht auch hier die Frage auf: Ist das noch Drama? | |
| Oder schon Komödie? Oder der letzte Akt? | |
| 9 Aug 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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