| # taz.de -- Beherbergungsverbote und Corona: Ein großes Hin und Her | |
| > Übernachtungsverbote für Reisende aus Risikogebieten sollen das | |
| > Infektionsgeschehen eindämmen. Doch Gerichte und Länder kippen das | |
| > Verbot. | |
| Bild: Unklare Aussichten für die Urlaubsplanung: der Brocken im Nebel | |
| Karlsruhe taz | Der Wind hat sich gedreht. Zu Beginn dieser Woche gab es in | |
| den meisten Bundesländer noch [1][Beherbungsverbote]. Doch am Mittwoch | |
| gelang bei einem Treffen der MinisterpräsidentInnen keine Einigung, das | |
| Thema wurde vertagt. Inzwischen sind die Länder mit Beherbergungsverboten | |
| in der Minderzahl. | |
| Die Verbote zielen auf Hotels und andere Orte der entgeltlichen | |
| Übernachtung wie Ferienwohnungen und Campingplätze. Verboten ist jeweils | |
| die Beherbergung von Gästen aus Städten und Landkreisen, in denen die Zahl | |
| der binnen 7 Tagen neu Infizierten über dem Schwellenwert von 50 pro | |
| 100.000 EinwohnerInnen liegt. Ausnahmen gibt es bei Vorlage eines aktuellen | |
| Attests, dass man nicht mit Covid-19 infiziert ist. | |
| Am Donnerstag kippten der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim und das | |
| Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg die [2][jeweiligen Regelungen in | |
| Baden-Württemberg und Niedersachsen], während das OVG Schleswig die | |
| Verordnung in Schleswig-Holstein aufrecht erhielt. Noch ist der Trend also | |
| nicht ganz eindeutig. | |
| Die Landesregierungen im Saarland, in Sachsen, Hessen und Bayern haben | |
| inzwischen auf ihre Beherbergungsverbote verzichtet, teilweise unter dem | |
| Eindruck der Gerichtsurteile. Derzeit halten aber noch vier Länder – | |
| Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein | |
| – an ihren Regelungen fest. | |
| ## Ein großer Flickenteppich | |
| Es ist nicht das erste Mal seit Beginn der Pandemie, dass es einen | |
| Flickenteppich unterschiedlicher Länderregelungen gibt. Der Grund ist immer | |
| der selbe: für die Corona-Bekämpfung sind vor allem die Länder zuständig. | |
| Ihre Befugnisse stammen zwar aus einem Bundesgesetz, dem | |
| Infektionsschutzgesetz, doch über die „notwendigen Schutzmaßnahmen“ | |
| entscheiden in der Regel die Landesregierungen per Rechtsverordnung. | |
| Bund-Länder-Konferenzen wie am Mittwoch dienen nur der Koordination, können | |
| aber [3][keine verbindlichen Beschlüsse fassen.] | |
| Weil die Länder die Regeln machen, sind vor allem Landesgerichte für die | |
| Kontrolle zuständig. OVGs und VGHe können in den meisten Ländern sogar | |
| ganze Verordnungen für nichtig erklären. Wegen der vagen gesetzlichen | |
| Vorgaben ist der entscheidende Prüfungsmaßstab in der Regel das [4][Prinzip | |
| der Verhältnismäßigkeit]. Nutzen und Schaden der staatlichen Maßnahmen | |
| werden dabei abgewogen. Auch hier können unterschiedliche Lagen, aber auch | |
| unterschiedliche Prioriäten der RichterInnen schnell zu unterschiedlichen | |
| Regelungen führen. | |
| So sah der VGH Mannheim in Hotels kein erhöhtes Infektionsrisiko, weil man | |
| dort meist unter sich bleibe. Die eigentlichen Treiber der Pandemie seien | |
| Feiern in größeren Gruppen. Für Gäste aus Risikogebieten sei es zudem nicht | |
| zumutbar, sich jeweils ein Attest ihrer Unbedenklichkeit zu besorgen, weil | |
| dies angesichts begrenzter Testkapazitäten oft zu lange dauere. Das OVG | |
| Lüneburg argumentierte ähnlich. | |
| Das OVG Schleswig sah den Ausgang seines Prozesses dagegen als offen an und | |
| entschied sein Eilverfahren deshalb anhand einer Folgenabwägung. Ohne | |
| Beherbergungsverbot könnten viele Menschen aus Risikogebieten nach | |
| Schleswig-Holstein reisen, die sonst nicht kommen würden, so die | |
| RichterInnen. Das sei angesichts der stark steigenden Infektionszahlen eine | |
| Gefahr für das Gesundheitswesen. | |
| ## Ist eine drastische Maßnahme verhältnismäßig? | |
| Alle Gerichtsurteile sind nur Momentaufnahmen. Je nach Entwicklung der | |
| Pandemie, Verhalten der Bevölkerung und Dauer der Maßnahmen können die | |
| Wertungen der RichterInnen im nächsten Monat oder gar der nächsten Woche | |
| schon wieder anders aussehen. Diese Flexibilität, sich an wechselnde Lagen | |
| anzupassen, sollte jedoch nicht als Nachteil, sondern als Vorteil des | |
| Verhältnismäßigkeitsprinzips gesehen werden. | |
| 17 Oct 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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