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# taz.de -- Wucht der Bilder: Mit Kreuzen und Grablichtern gegen politisches Co…
> Anne Spiegel war während der Ahrtal-Katastrophe Umweltministerin. Nun
> will sie Sozialdezernentin der Region Hannover werden. Es gibt Protest.
Bild: Die Wucht des Bildes: 135 Kreuze und rote Grablichter drapierten Demonstr…
Rein zahlenmäßig war die Demonstration gar nicht groß: Ungefähr 50 Leute
sollen sich da auf dem Opernplatz in Hannover versammelt haben. Doch die
Wucht des Bildes, das sie produzierten, hatte es in sich: 135 Kreuze und
rote Grablichter drapierten sie auf dem Pflaster.
Als Symbol für die Toten der Flutkatastrophe im Ahrtal, die nun zwar schon
vier Jahre her ist – für viele aber unvergessen – und wohl auch
unverzeihlich. Jedenfalls finden es die Organisatoren der kleinen
Trauerkundgebung unmöglich, dass sich Anne Spiegel – damals
Umweltministerin in Rheinland-Pfalz – [1][nun in Hannover auf den Posten
der Sozialdezernentin bewirbt.]
Sie habe damit echte Bauchschmerzen, sagt Anika Lilienthal im Gespräch mit
der taz. Sie sitzt für die FDP im Rat der Stadt Burgdorf in der Region
Hannover, aber diese Demo hat sie als Privatperson angemeldet, betont sie.
Die Katastrophe im Ahrtal ging ihr nahe, weil sie damals in engem Kontakt
mit Landwirten stand, die zum Teil selbst betroffen waren, zum Teil zum
Helfen in das Krisengebiet fuhren. Sie selbst habe leider nicht mitfahren
können, aber im Hintergrund versucht, von Hannover aus alles möglichen
Dinge zu organisieren, von Treckerreifen bis zu Unterkünften.
„Wir kannten uns von den Bauerndemos und Protesten gegen das
Wolfsmanagement“, erläutert sie. Das waren allerdings auch Zusammenhänge,
in denen Grüne ganz generell nicht sonderlich gut gelitten waren. Aber
damit, versichert sie, habe das hier nichts zu tun. „Wir haben die
Kundgebung bewusst so gestaltet, dass sie nicht durch andere politische
Botschaften gekapert werden kann. Wir wollten ein würdevolles Gedenken der
Opfer.“
## Statue der 22-jährigen Johanna Orth
Dazu diente auch die Statue der 22-jährigen Johanna Orth, die – wie auch
die Kreuze – von einem Künstler aus dem Ahrtal zur Verfügung gestellt
wurde. Die 22-Jährige starb, weil sie den falschen Warnmeldungen glaubte
und sich im Erdgeschoss schlafen legte, wo sie keine Chance hatte, der
Flutwelle zu entkommen. Seither kämpfen ihre Eltern für eine juristische
Aufarbeitung.
Es ist allerdings fraglich, ob die damalige Umweltministerin Anne Spiegel
(Grüne) dafür die richtige Adressatin ist. Ihr wird und wurde vor allem ihr
kommunikatives Fehlverhalten während und nach der Katastrophe vorgeworfen.
So soll sie in der Flutnacht und am Morgen nach der Katastrophe nicht
erreichbar gewesen sein.
Im Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtages kamen
außerdem interne Chats mit ihrem Pressesprecher zur Sprache, die klingen,
als wäre ihre erste Sorge das eigene Image und die eigene Karriere gewesen
und weniger die Situation der Opfer. Berühmt wurden Äußerungen wie „das
blame-game könnte sofort losgehen“, „wir brauchen ein wording, dass wir
rechtzeitig gewarnt haben“.
Zehn Tage nach der Flut fuhr Spiegel zudem mit ihrer Familie in einen
vierwöchigen Frankreichurlaub – was sie später in einer [2][denkwürdig
desaströsen Pressekonferenz mit den familiären Belastungen] durch eine
schlimme Erkrankung ihres Mannes und Corona mit vier kleinen Kindern zu
begründen versuchte.
Was der Untersuchungsausschuss allerdings auch festhielt: Die
Hauptverantwortung lag nicht in ihrem Haus, dem Umweltministerium, das
Spiegel zu diesem Zeitpunkt seit gerade einmal zwei Monaten führte.
## Fehlen von Meldeketten im Katastrophenschutz
Viel katastrophaler wirkte sich das Fehlen von Meldeketten, Notfall- und
Evakuierungsplänen im Katastrophenschutz aus – hier hatten vor allem
Landkreis und Landrat versagt, mittelbar auch das übergeordnet zuständige
Innenministerium.
Auch hier traten die Verantwortlichen nur zögerlich zurück.
[3][Innenminister Roger Lewentz (SPD) ein halbes Jahr nach Spiegel], er ist
heute einfacher Landtagsabgeordneter. Landrat Jürgen Pföhler (CDU) meldete
sich erst einmal krank und ließ sich dann in den Ruhestand versetzen. Ein
strafrechtliches Verfahren gegen ihn wurde eingestellt, ein
disziplinarrechtliches Verfahren zur Aberkennung seiner Pension läuft immer
noch.
Anne Spiegel ist mit ihren 44 Jahren wohl zu jung für die Flucht in den
Ruhestand. Für das Amt der Sozialdezernentin haben sie die Grünen
vorgeschlagen. Zu den Protesten schweigen sie aber lieber betreten.
Auch die anderen Parteien halten sich mit allzu deutlicher Kritik an der
Personalie zurück. Der Vorsitzende der [4][CDU-Regionsfraktion Bernward
Schlossarek sagte der Hannoverschen Allgemeinen] Zeitung (HAZ), Spiegel
habe eine Chance verdient und „wir sollten sie ihr geben“. Man könne für
gescheiterte Politiker ja kein Berufsverbot verhängen.
## Funktionierender Parteienproporz
Bei der Wahl, die für Dienstagnachmittag, den 11. November, angesetzt ist,
setzen die Grünen möglicherweise auf den funktionierenden Parteienproporz.
Denn gewählt werden soll zunächst der SPD-Kandidat Torben Klant für das Amt
des Ordnungsdezernenten, dann die Grünen-Kandidatin Anne Spiegel als
Sozialdezernentin und abschließend die CDU-Kandidatin Isabella Gifhorn als
Baudezernentin. Wenn die CDU also nicht wie verabredet für Spiegel stimmt,
könnten sich die Grünen beim nächsten Wahlgang rächen.
Bevor es überhaupt zur Wahl kommt, muss Anne Spiegel aber wohl noch einmal
Spießrutenlaufen. Die Protestierenden wollen sich auf dem Bürgersteig vor
dem Regionshaus postieren – mit weniger Kreuzen, weil nicht so viel Platz
ist, aber auch mit der Statue von Johanna.
10 Nov 2025
## LINKS
[1] /Nadine-Conti/!6118709&s=Anne+Spiegel/
[2] /Flutkatastrophe-an-der-Ahr/!5848444
[3] /Innenminister-von-Rheinland-Pfalz/!5887741
[4] https://www.haz.de/der-norden/protest-in-hannover-50-menschen-demonstrieren…
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Anne Spiegel
Flutkatastrophe in Deutschland
Hannover
Flut
Malu Dreyer
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