| # taz.de -- Mädchen, die Tic Tac Toe hörten: Girlpower-Regel Nr. 3: Sei stark | |
| > Wie haben Girl Groups junge Frauen beeinflusst? „No Scribes“ heißt Paula | |
| > Fürstenbergs, Alisha Gamischs und Raphaëlle Reds Stück über eine solche | |
| > Band. | |
| Bild: Alisha Gamisch, Raphaëlle Red und Paula Fürstenberg als Girlgroup „N… | |
| Der Star des Abends hört auf den Namen Lulu. [1][Paula Fürstenberg] hat als | |
| Mädchen ihr Tagebuch so genannt, aus dem sie im Laufe des Abends immer | |
| wieder Passagen vorlesen wird. Zum Beispiel einen Eintrag von 1998. 11 war | |
| Fürstenberg da: „Wie ich das sehe, muss das coole Girl heutzutage so | |
| aussehen“, schreibt sie – zum Sound ihrer Lieblingsband Tic Tac Toe | |
| vermutlich – und zählt dann auf: „Sexy oder coole Klamotten, bisschen | |
| ausgeflippt, telefonieren, shoppen und Inlineskaten, muss in sein, auch mal | |
| romantisch sein können, Tiere mögen.“ Auch sollte dieses Girl es okay | |
| finden, wenn ihr Typ mal mit einer anderen flirtet, „dass sie auf Jungs | |
| stehen muss, ist wohl offensichtlich.“ | |
| Anlass für Fürstenberg, sich ihre eigenen Annalen zu Gemüte zu führen, ist | |
| „No Scribes“, eine theatrale Lesung über das Aufwachsen als Mädchen in den | |
| 1990er und 2000er Jahren und über die Girlgroups, die mehr als nur den | |
| Soundtrack dazu lieferten. Zusammengetan hat sich Fürstenberg dafür mit | |
| ihren Kolleginnen Alisha Gamisch und [2][Raphaëlle Red]. Sie bilden die | |
| „erste literarische Girlgroup“ No Scribes, zu erleben als Bühnenstück, | |
| produziert vom feministischen Onlinemagazin wepsert e. V. und dem | |
| Literaturhaus Berlin. Premiere war am Freitag in der Berliner Vaganten | |
| Bühne. Weitere Aufführungen folgen im Ballhaus Ost. Eine kleine Publikation | |
| erscheint im Sukultur Verlag. | |
| Der Name „No Scribes“ erinnert an den TLC-Hit „No Scrubs“ aus dem Jahr | |
| 1999, es steckt aber auch das Schreiben mit drin. Schriftstellerinnen sind | |
| Fürstenberg, Gamisch und Red alle drei, während den Girlgroups damals oft | |
| abgesprochen wurde, ihre Songs selbst zu schreiben oder das überhaupt zu | |
| können. Von wegen Girlpower. | |
| Um eben solche Widersprüchlichkeiten der damals als vermeintlich | |
| selbstbewusst inszenierten Weiblichkeit geht es. Darum, dass Mädchen sein | |
| in „der kleinen Hölle“ der 1990er und 2000er Jahre vor allem bedeutete, | |
| Schablone zu sein, gefallen zu wollen, eine Rolle zu erfüllen. | |
| ## Sie ist ein Sister Pleaser | |
| Die Frage, wie die Popkultur jener Zeit junge Frauen geprägt hat, treibt | |
| nicht nur Fürstenberg, Gamisch und Red um. Musikjournalistin Sonja Eismann | |
| hat unlängst ihr Buch „Candy Girls“ den Sexismen der Musikbranche gewidmet. | |
| Die britische Journalistin Sophie Gilbert wiederum konzentrierte sich in | |
| „Girl vs. Girl“ auf den medialen Blick auf die popkulturellen | |
| Protagonistinnen der 2000er Jahre. Auch [3][Regisseurin Lena Brasch] – die | |
| als autoritäre Managerin in „No Scribes“ zwei auditive Gastauftritte hat �… | |
| hat sich am Beispiel Britney Spears’ schon damit beschäftigt („It’s | |
| Britney, Bitch“). | |
| Die Texte der „No-Scribes“-Autorinnen leben von individuellen Perspektiven. | |
| Während Fürstenberg ihre in den Tagebüchern festgehaltenen amourösen | |
| Abenteuer aufarbeitet, beschreibt Gamisch ihr vorjugendliches und | |
| Teenager-Ich als eines, das der älteren Schwester gefallen will und auch | |
| deshalb den Spice Girls folgt: „Bevor ich People Pleaser bin, bin ich ein | |
| Sister Pleaser“. Die erst 1997 geborene Red verfiel Destiny’s Child, als | |
| diese schon gar nicht mehr aktiv waren und blickt nun nochmals mit | |
| rassismuskritischem Blick auf deren Rezeption. | |
| Dass „Muttis verhärmter Feminismus“ die Grundlage für den Fun bildete, der | |
| bei Girlpower damals im Fokus stand, habe sie erst spät erkannt, erklärt | |
| Fürstenberg in der zweiten Hälfte des Stücks. Dass eben dieser bei „No | |
| Scribes“ trotzdem nicht zu kurz kommt, dafür sorgen alle drei. Red etwa, | |
| wenn sie mit Hornbrille auf der Nase den Tic-Tac-Toe-Fanbuch-Autor Hans S. | |
| Mundi imitiert. Auch sonst wird viel gelacht im Publikum. | |
| Fürstenberg, Gamisch und Red gehen sanft mit den Heldinnen ihrer | |
| Vergangenheit um. Kritisiert werden eher die Umstände, die schmierigen | |
| Kommentare der Thomas Gottschalks, die gesellschaftlichen Erwartungen an | |
| Mädchen der damaligen Zeit. „Was hat uns bloß so programmiert? Was ist mit | |
| uns passiert?“, singen sie im einzigen echten Song von „No Scribes“. Er | |
| bleibt so lang im Ohr wie das Zigazigah der Spice Girls. | |
| 10 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Beate Scheder | |
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