| # taz.de -- Die Wahrheit: Pfandastischer Ärger | |
| > Deutschland immer gereizter und gespaltener: Nach dem Stadtbild wird nun | |
| > erbittert ums Leergut und die Automatenblockierer gestritten. | |
| Bild: Gemeiner Automatenblockierer bei der klappernden und klirrenden Arbeit am… | |
| Schon nach kurzer Laufzeit droht die von Friedrich Merz zu Recht | |
| angestoßene Diskussion zu verebben, ob das Bild unserer Städte unter der | |
| von Merkel losgetretenen Flüchtlingsschwemme oder generell unter Migration | |
| leidet. Möglich ist dies, weil ein neuer, noch finstererer Zwist am | |
| Horizont erschienen ist! Wie eine pechschwarze Gewitterfront zieht er über | |
| das Land, um es noch tiefer zu spalten und endgültig auseinanderzutreiben. | |
| Grund für den erbitterten Streit stellt das von den Grünen vor zwanzig | |
| Jahren durchgedrückte Zwangspfand dar. Sein Glutkern ist der begreifliche | |
| Unmut über die vielerorts ungeregelte Flaschen- und Dosenrückgabe, der die | |
| Leute in den Wahnsinn treibt. Vor den Pfandautomaten der Supermärkte | |
| spielen sich nämlich täglich, insbesondere samstags, tumultartige Szenen | |
| ab: „Automat bereit, bitte geben Sie Ihr Leergut ein“ – diese Anweisung a… | |
| dem Display kriegen viele Verbraucher, wenn überhaupt, erst nach ewiger | |
| Wartezeit zu Gesicht. | |
| Stattdessen erleben wir murrende Menschen, die unter der Woche hart | |
| gearbeitet und sich aufs verdiente Wochenende gefreut haben, wie sie in | |
| langen Warteschlangen ohnmächtig die Nase rümpfen und die Fäuste ballen. | |
| Währenddessen leeren irgendwelche liederlichen Gestalten, die eigentlich | |
| alle Zeit der Welt hätten, stundenlang jede Menge Einkaufswagen, | |
| Plastiksäcke und Ikeataschen voller Pfandbehälter in die Automaten. | |
| Lang-wei-lig! Kein Wunder, dass die gesellschaftliche Mitte, die ohnehin | |
| einiges Kraftraubende zu schultern hat, um unseren Wohlstand zu sichern, zu | |
| zürnen beginnt. | |
| „Hier sehen Sie mal wieder, wie kaputt unser Land wirklich ist“, schimpft | |
| zum Beispiel Rainer Bernhardt (49), Architekt aus Bergisch Gladbach. Mit | |
| gerötetem Gesicht deutet er auf die 20 Meter langen Schlangen vor den | |
| beiden Automaten im Innenstadt-Rewe, in denen sich weiterer lautstarker | |
| Unmut formiert. „So geht das hier jeden Samstag“, erklärt Bernhardt wüten… | |
| „Irgendwelche Penner mit gelben Säcken voller Leergut blockieren endlos die | |
| zwei Stationen, während Leute, die wochentags hart arbeiten, ihre rare | |
| Freizeit gestohlen bekommen.“ | |
| ## Keine Rücksicht | |
| Auch anderswo hadert man mit den mutmaßlich prekären Flaschensammlern, die | |
| keine Rücksicht auf die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung nehmen | |
| wollen. Giftige Bemerkungen und kleine Handgreiflichkeiten sind an der | |
| Tagesordnung. „Ständig besteht die Gefahr, dass diese Loser mit | |
| zentnerweise Leergut vor dem Automaten stehen“, ärgert sich zum Beispiel | |
| Raffaello Meyer (32), Klempner aus Kaiserslautern. „Deshalb schieben | |
| andere, normale Leute ihre Leergutbesorgnisse wochenlang auf, sodass sie am | |
| Schluss ebenfalls mit vier Klappkästen voller Glas, Plastik und Blech vor | |
| dem Automaten stehen.“ | |
| Über diesen Teufelskreis schüttelt er zornig den Kopf: „Die Schlangen | |
| werden täglich länger. Der einfache Arbeitnehmer von der Straße, der nur | |
| zwei oder drei Bierflaschen zu je 8 Cent abgeben will, zieht entmutigt ab | |
| oder wartet brav eine Stunde, bis er an der Reihe ist. Ich hab schon gar | |
| keinen Bock mehr, meinen Pfandbon für wohltätige Zwecke zu spenden. Wie | |
| lange wollen wir uns das noch bieten lassen?!“ | |
| Doch die Politik scheint derzeit noch zu schlafen. Nicht einmal die Union | |
| wittert ihre Chance, endlich Handlungsfähigkeit zu demonstrieren, auch wenn | |
| Experten von unabhängigen Thinktanks im Fernsehen immer öfter sagen: Die | |
| Pfandrückgabe in Deutschland ist in die Hände einer dubiosen und | |
| kriminalitätsnahen Personengruppe gefallen; diese versucht aus dem | |
| ökologisch vernünftigen Entsorgungskreislauf ein einträgliches Geschäft an | |
| der Steuer vorbei zu machen. Schließlich betont jedes Mal auch die | |
| Polizeigewerkschaft: „Verbindungen zu kriminellen Clans sind nicht | |
| auszuschließen! Wie lange wollen wir uns das noch bieten lassen?“ | |
| ## Übliches Ärgernis | |
| Unabhängig davon bleibt jedoch nach wie vor ein Ärgernis, dass es keine | |
| gesonderten Automaten oder Zeiten für eine gewisse Klientel gibt, die an | |
| den Automaten länger als üblich beschäftigt ist. Viele probieren | |
| minutenlang, schieben die Flaschen nicht mit dem Boden zuerst ein, | |
| verzweifeln an Flaschen aus dem Ausland, die überhaupt nicht angenommen | |
| werden können. | |
| „Ganz problematisch sind auch die Trottel aus der älteren Generation“, | |
| bekennt zum Beispiel Enya Phillips (57) aus Neustadt im Breisgau. „Gestern | |
| hatte ich da einen vor mir, der nicht wusste, dass etwa die Hälfte seiner | |
| Flaschen gar nicht erstattungsfähig waren, weshalb er dauernd kämpfte und | |
| immer wieder neu versuchte, seine Flasche in den Rücknahmeschacht zu | |
| schieben, und verzweifelt den Kopf schüttelte, weil die Flasche nicht | |
| angenommen wurde!“ | |
| Die Kunstpädagogin ist gewiss nicht die Einzige, die solch problematische | |
| Zeitgenossen zu normalen Einkaufszeiten gern aus den Läden verbannt sähe. | |
| Die Politik ist also zum schnellen Handeln aufgefordert. „Ich bin | |
| bekennender Fan des Mehrwegsystems“, sagt zum Beispiel Jonas Wigg (70) aus | |
| Duisburg-Homberg. „Aber was zu viel ist, ist zu viel.“ Der Rentner macht | |
| eine mehrdeutige Geste, die er sich von Friedrich Merz abgeguckt hat. | |
| Unterstützung erhält er von Notarsgehilfin Julia Kämmerer (26) aus Celle: | |
| „Diese Hallodris und Heiopeis sollen lieber arbeiten gehen! Oder | |
| meinetwegen auch Flaschen sammeln. Aber dann am Montagmorgen gegen zehn Uhr | |
| wiederkommen, wenn sie niemanden stören.“ | |
| 5 Nov 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Mark-Stefan Tietze | |
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