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# taz.de -- Neue Allianzen im Nahen Osten: Ein Frieden ohne Schiedsrichter
> In Scharm al-Scheich steht für eine neue arabische Selbstbehauptung: Riad
> und Doha bestimmen den Kurs, während der fragile Frieden zum Test wird.
Bild: Trump und al-Sisi auf einem Plakat in Scharm al-Scheich – Symbol des …
Tunis taz | In der Nahostregion hat man gelernt, [1][Trumps erratische
Einlassungen zu Israel und Gaza einfach zu ignorieren.] Die neue
Flexibilität und Einigkeit der arabischen Diplomatie hat Trumps Plan wohl
zum Erfolg verholfen. Denn indem sie sich auf einen minimalen gemeinsamen
Nenner – Waffenruhe, humanitäre Korridore, schrittweisen Wiederaufbau –
verständigten, nahmen sie Trump faktisch die Rolle des Schiedsrichters ab
und machten ihn zum Symbol eines Friedens, den andere vorbereitet hatten.
Hinter den Kulissen wird in Scharm al-Scheich an Phase 2 gearbeitet, dem
„historischen Aufbruch“, wie Trump sagte. Tatsächlich geht es dort weniger
um US-amerikanische Vorgaben als um eine Neuordnung des Nahen Ostens, in
der Saudi-Arabien, Ägypten, Katar und Jordanien erstmals geschlossen
auftreten.
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman hat bereits klargestellt, was
das für die neue panarabische Allianz bedeutet: Normalisierung mit Israel
erst nach der Gründung eines palästinensischen Staates. Damit übernimmt
Riad – gemeinsam mit dem einst verfeindeten Doha – die politische
Führungsrolle, die jahrzehntelang Kairo innehatte, und signalisiert, dass
arabische Staaten Israel nur bei einer echten Lösung der Palästinenserfrage
anerkennen werden.
[2][Mit den Worten „Good job“ bezeichnete Trump das Vorgehen der
israelischen Armee.] Ein Affront für seine ebenfalls stets hochgelobten
Alliierten in Amman, Doha, Riad, Ankara und Kairo. Für die in Scharm
al-Scheich versammelten arabischen Staaten markiert die erste Phase des
Abkommens das Scheitern des von Israel versuchten Genozids in Gaza. Ein
Ende des Besatzungsregimes, wie es ein Rechtsgutachten des Internationalen
Gerichtshofs fordert, kann sich derzeit nicht einmal die Opposition in der
Knesset vorstellen.
Auch im Zentrum von Ramallah hatten sich am Montagmittag Tausende
Neugierige und Angehörige von Gefangenen versammelt. Als sich die Türen der
Busse öffneten, in denen die ersten der 2.000 Palästinenser saßen, die aus
den Hochsicherheitsgefängnissen Ofer und Ketzion entlassen wurden, flossen
Tränen der Freude. Doch die gedämpfte Stimmung zeigte, dass der 13. Oktober
nur das Ende des Gazakriegs markiert. Den Familien der Freigelassenen war
öffentlicher Jubel verboten, politische Anführer wie Marwan Barghuti
blieben in Haft.
## Palästinensischen Wünsche kommen nicht vor
Weder im 20-Punkte-Plan noch in Trumps Reden kommen die palästinensischen
Wünsche vor – schon gar nicht der nach einem Staat, den 157 von 193
Mitglieder der Vereinten Nationen bereits anerkennen. Fünf Jahre nach dem
letzten Abkommen in Oslo sollte dieser Staat entstehen – doch die drei
Phasen des aktuellen Plans haben nicht einmal einen Zeitplan. Wie
gefährlich das Machtvakuum für das Abkommen ist, zeigte sich am
Sonntagmorgen im Stadtteil Sabr in Gaza-Stadt: Bewaffnete griffen
zurückkehrende Palästinenser und Zivilschützer an, die nach Sprengsätzen
suchten.
Der prominente Journalist Saleh Aljafarawi wurde Zeuge des
Überraschungsangriffs durch den angeblich von Israel logistisch und
finanziell unterstützten Doghmush-Clan. Erst am Vortag hatte er seine seit
zwei Jahren getragene, mit „Press“ gekennzeichnete Schutzweste und den
blauen Helm der Reporter abgelegt. Sieben Kugeln der Milizionäre trafen
Aljafarawi, mehrere Rückkehrer wurden verletzt. Politische Kommentatoren im
Gazastreifen sind davon überzeugt, dass der Doghmush-Clan und andere
Hamas-feindliche Gruppen UN-Hilfskonvois überfielen, die Güter verkauften
und damit Millionen verdienten – auf Kosten des Ansehens des
Flüchtlingshilfswerks.
Nun könnten sie den Auftrag haben, die Rückkehr der Zivilisten zu
verhindern und Zwischenfälle mit der Hamas zu provozieren, was dann der
israelischen Armee ein Argument zum Eingreifen oder zur Verzögerung ihres
Abzugs bieten könnte“, warnt die Journalistin Nida Ibrahim. In den noch von
der israelischen Armee besetzten Gebieten des Gazastreifens, über der
Hälfte des Territoriums, sind Abrissbagger weiterhin im Einsatz. „Was als
Zerstörung der Hamas-Tunnel gilt, trifft in Wirklichkeit die zivile
Infrastruktur“, so Al-Jazeera-Reporter Hani Mahmoud.
## Vision eines Großisraels wird nicht aufgegeben
[3][Die Vision eines Großisraels werden Koalitionspartner] Itamar Ben Gvir
und Bezalel Smotrich nicht aufgeben. Für sie ist die Idee eines
palästinensischen Staates Geschichte; sie streben eine Verschärfung des
Besatzungsregimes und die Errichtung palästinensischer Enklaven innerhalb
neuer Grenzen an. Zukünftig steht Netanjahu unter dem Druck der Angehörigen
der in der Zwischenzeit verstorbenen Geiseln, die ihm immer wieder den
Wunsch auf die Schaffung eines Großisraels und damit langen Kriegs auf
Kosten des Lebens ihrer Töchter und Söhne vorwarfen.
Die Freilassung zumindest einiger noch lebender Geiseln feiert Benjamin
Netanjahu als Sieg. Diesen hat er auch über die Hamas verkündet, anders als
die Mehrheit der Chefs von Schin Bet, Mossad, die alle Kriegsziele bereits
im letzten Jahr als erfüllt ansahen. Trump wurde am Montagmittag von den
Abgeordneten der Knesset mit stehenden Ovationen empfangen.
Flexibel zeigt sich Trump auch gegenüber seinen früheren Ankündigungen, wie
dem lapidaren Kommentar, dass die Palästinenser den Gazastreifen verlassen
und Immobilienunternehmer auf den Trümmern von Chan Junis und Gaza-Stadt
Neubauprojekte für „Menschen aus der Region“ hochziehen sollten. Auch sein
Schwiegersohn Jared Kushner, der mit dem Nahostbeauftragten Steve Witkoff
den Deal in Scharm al-Scheich eingefädelt hatte, schlug im letzten Jahr
ähnliche Töne an. „Die Hamas wird erst einmal dort bleiben, wo sie ist.
Wenn zwei Millionen Leute in ein Trümmerfeld zurückkehren, muss es eine
gewisse Ordnung geben“, so Trump vor den mitreisenden Journalisten. Über
die von Israel geforderte Entwaffnung der Hamas soll nun später gesprochen
werden. Nach den Zeremonien in Jerusalem und Scharm al-Scheich scheint nur
eins sicher: Der Krieg ist vorbei.
13 Oct 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Mirco Keilberth
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