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# taz.de -- KI-Videos auf Social Media: Fake it till you make it
> In sozialen Medien werden KI-Videos mittlerweile auch von progressiver
> Seite eingesetzt. Bilder haben ohnehin längst ihren Beweischarakter
> verloren.
Bild: Mit Humor gegen US-Präsident Trump: Protestdemonstration in Washington D…
Eindrücke aus meinen Feeds in den letzten Wochen: Abschreckende Videos von
Razzien der US-Einwanderungsbehörde ICE. Aufnahmen von Demonstrierenden in
aufblasbaren Froschkostümen, die vor der ICE-Zentrale in Portland tanzen –
ein Versuch, Trumps Kriegsrhetorik durch Humor zu entwaffnen.
Ausschnitte aus [1][„Jimmy Kimmel Live“], in denen der Gouverneur von
Illinois, J. B. Pritzker, ironisch durch das von Trump so charakterisierte
„Kriegsgebiet“ Chicago führt. Der Rapper Adamn Killa, wie er den
Tiktok-Trend „Arrest me, Daddy“ adaptiert, um gegen ICE- und Polizeigewalt
zu protestieren. Die Verhaftung der Journalistin Debbie Brockman, brutal zu
Boden gedrückt.
Seit Trump Ende September und Anfang Oktober den Einsatz der Nationalgarde
in Portland und Chicago angeordnet hat, kursieren unzählige solcher Bilder
und Filmausschnitte, von offiziellen Propaganda-Clips der Homeland
Security, geschnitten wie Trailer von Actionfilmen und unterlegt mit
„Deportation will Continue“, bis hin zu Influencer-Videos, die vor Ort
beweisen wollen, dass Portland „in Wirklichkeit“ kein „Höllenloch“ ist.
Digitales Strategiespiel
Zwischen Inszenierung und Gegeninszenierung verschwimmen die Grenzen
zunehmend. Fakten erscheinen nicht mehr als gegeben, sondern als etwas, das
in Echtzeit produziert, bestritten und neu gerahmt wird. In diesem
digitalen Strategiespiel, in dem um jede Deutung gerungen wird, stellt sich
auf progressiver Seite immer dringlicher die Frage, welche Strategie
überhaupt noch trägt – und welche nicht.
Die einen versuchen, mit Kostümen und Komik Trumps martialisches Bild der
Protestierenden zu entkräften, andere setzen auf KI-generierte Videos von
Verhaftungen und Übergriffen, die nie stattgefunden haben, um durch
Empörung und Wut gegen den ICE Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Eine durchaus zweischneidige Strategie, die man zu kritisieren geneigt ist.
Wer Fake-Videos produziert – selbst wenn sie als solche gekennzeichnet sind
–, spielt Trump doch direkt in die Hände. Denn wird durch solche AI-Videos
nicht [2][die Glaubwürdigkeit aller Bilder] zerstört? Wenn niemand mehr
weiß, welches Video echt ist und welches generiert, kann jede Regierung
jede unbequeme Aufnahme einfach als Fälschung abtun.
Postfaktische Medienlandschaft
Doch ist diese Kritik nicht zu kurz gedacht? Sind derartige KI-Videos nicht
die einzig logische Antwort auf eine Medienlandschaft, die längst
postfaktisch ist? Die bittere Wahrheit lautet: Die visuelle Glaubwürdigkeit
ist bereits zerstört – und das nicht erst durch KI.
Während echte Aufnahmen jederzeit gelöscht werden können, weil sie gegen
intransparente Richtlinien verstoßen, bleiben KI-Videos auf den großen
Plattformen meist online, zeigen sie doch keine „echte“ Gewalt, verletzen
somit keine Regeln und sind zudem beliebig neu generierbar (wohingegen
reale Dokumentationen von emotionalen Aufnahmen per se rarer sind). Die
Content-Moderation folgt keiner moralischen, sondern einer ökonomischen
Logik: [3][Das Falsche ist schlicht plattformkompatibler] als das Wahre.
Naive Forderung nach Echtheit
In einer solchen Medienlandschaft sind KI-Videos keine Sabotage der
Wahrheit, sondern ihre konsequente Fortsetzung. Wenn Wahrheit nur durch
Simulation sichtbar bleibt, dann wird das Selbstoptimierungs-Mantra „Fake
it till you make it“ zur politischen Strategie. Und wenn die Gegenseite
längst gekonnt mit Propaganda arbeitet, erscheint die Forderung nach
dokumentarischer Echtheit nicht moralisch überlegen – sondern naiv.
KI-Videos zeigen zwar nicht, was ist, aber sie zeigen, was sein könnte –
oder wie sich etwas anfühlt. „Dieses Video ist KI. Es zeigt, was wir in der
echten Welt durchmachen“, steht etwa unter einer Verhaftungsszene. Sie sind
emotionale Stellvertreter einer Realität, die man nicht zeigen kann oder
darf.
Am Ende bleibt wohl nur eine unbequeme Einsicht: Vielleicht ist die
Forderung nach dokumentarischer Wahrheit nur noch ein nostalgisches Echo
aus einer Zeit, in der Bilder noch Beweise waren. Heute müssen wir uns von
diesem Beweischarakter endgültig verabschieden.
14 Oct 2025
## LINKS
[1] /Jimmy-Kimmel-ist-zurueck-auf-Sendung/!6111735
[2] /Wie-rechts-ist-die-KI-Aesthetik/!6071540
[3] /Philosophin-ueber-KI-Bilder-und-Ethik/!6114572
## AUTOREN
Annekathrin Kohout
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