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# taz.de -- Bürgermeisterwahlen in Brandenburg: Partei? Nein danke!
> Die SPD ist out, aber auch andere Parteien haben es schwer – sogar die
> AfD. Vier Lehren aus den Bürgermeisterwahlen in Brandenburg am
> Wochenende.
Bild: Auszählung in Frankfurt (Oder): Kaum Zugewinne für die AfD
Berlin taz | Die Erleichterung nach den Stichwahlen von Sonntag in sieben
Brandenburger Städten ist groß: Die AfD hat es nicht geschafft, einen
Bürgermeisterposten zu ergattern – auch wenn es in Eisenhüttenstadt denkbar
knapp war. Der zweite große Verlierer heißt SPD: Die Partei, die in
Brandenburg seit 35 Jahren den Regierungschef und in Potsdam den
Oberbürgermeister stellt, ist in der Landeshauptstadt sang- und klanglos
untergegangen. Gewonnen haben dagegen vielerorts Parteilose mit diffusem
Programm. Die taz-Analyse mit vier Lehren aus den Wahlen der Brandenburger
Stadtoberhäupter.
## Parteien sind unbeliebt
Der Sieg parteiloser Kandidat*innen bei den Stichwahlen zeigt erneut:
In der Kommunalpolitik in Brandenburg wenden sich die Wähler*innen
[1][zunehmend unabhängigen Bewerber*innen zu].
Zwar beobachten Forscher*innen bundesweit seit Langem eine nachlassende
Parteibindung der Bürger*innen. Dazu mischt sich aber jetzt die große
Unzufriedenheit mit der Politik der Bundesregierung. Und die kriegen die
auf kommunaler Ebene Engagierten zuerst ab. Niemand will sich auf dem
Marktplatz oder beim Einkauf anfeinden lassen für die Politik von „denen da
oben“ mit dem gleichen Parteibuch.
Unabhängige Bewerber*innen verkörpern in dieser Gemengelage frischen
Wind und Bürgernähe, Pragmatismus und Veränderung. Es ist für sie leichter,
im zerrütteten politischen Klima enttäuschte Wähler*innen zu
mobilisieren. Das dürfte gerade in Brandenburg besonders wichtig sein, wo
die AfD mit ihrer Dauerkampagne gegen die „Altparteien“ den Frust anheizt.
Hinzu kommt: Bürgermeister*innen müssen sich im Stadtparlament
Mehrheiten suchen. Auch das kann für Parteilose leichter sein, wenn sie
Verordnete unterschiedlicher politischer Couleur für sich gewinnen müssen.
Es ist aber auch eine Stolperfalle für die politisch zum Teil noch
unerfahrenen neuen Stadtoberhäupter.
## Pragmatismus schlägt Inhalte
Im ganzen Wahlkampf drängte sich der Eindruck auf, dass Inhalte kaum noch
eine Rolle spielen. Zum einen, weil es teilweise vor allem darum ging,
[2][die AfD vom Rathaus fernzuhalten]. Zum anderen betonten die parteilosen
Kandidat*innen geradezu, inhaltlich flexibel zu sein, weil sie ja
keiner Partei angehörten und entsprechend keinem Programm verpflichtet
seien.
So erklärte Marko Henkel, parteiloser, für die SPD antretender Kandidat in
Eisenhüttenstadt, in seinem Programm gebe es „Schnittmengen zu allen
demokratischen Parteien“ und er wolle wegen seiner Person gewählt werden,
„nicht weil eine Partei draufsteht“. Auch Axel Strasser in Frankfurt (Oder)
[3][bekräftigte stets, „unideologisch“ Politik machen zu wollen]. Der
Trend, Kommunalpolitik als pragmatisch-technokratisches Management
objektiver Probleme darzustellen, scheint sich durchzusetzen.
## Das Ende der „Brandenburg-Partei“ SPD
Klar, die Sozialdemokrat*innen hatten es ausgerechnet in Potsdam
besonders schwer, wo der bisherige SPD-Oberbürgermeister Mike Schubert
[4][per Bürgerentscheid abgewählt] worden war. Die deutliche Niederlage
ihres Kandidaten Severin Fischer in der Stichwahl lässt sich trotzdem nicht
allein mit der ungünstigen Ausgangslage erklären.
Denn anderswo ist schon längst eingetreten, was sich in Potsdam nun
abzeichnet: Die Brandenburger SPD befindet sich [5][auf dem Weg in die
Bedeutungslosigkeit]. In Frankfurt (Oder) war ihre Kandidatin im ersten
Wahlgang mit einem einstelligen Ergebnis abgeschlagen auf dem letzten Platz
gelandet. Die Siege von Marko Henkel in Eisenhüttenstadt sowie von Thomas
Günther in Hennigsdorf können die Misere nicht übertünchen.
Die Landtagswahl 2024 hatte die SPD noch auf den letzten Drücker vor der
AfD gewonnen – allerdings wohl nur [6][dank Dietmar Woidkes Amtsbonus] und
auf Kosten von Linken und Grünen, die aus dem Parlament flogen. Aber
vielleicht hätte eine Niederlage den Sozialdemokrat*innen auf lange
Sicht mehr geholfen als dieser teuer erkaufte Erfolg: Denn so verschläft
die Braunkohlepartei ihre längst überfällige inhaltliche und personelle
Erneuerung.
## Die AfD ist nicht mehrheitsfähig
Die AfD hatte sich in Frankfurt (Oder) gute Chancen ausgerechnet, nun
erstmals bundesweit ein Oberbürgermeisteramt zu ergattern. Die Stadt ist
geplagt von hoher Arbeitslosigkeit, das Flüchtlingsthema ist hier präsenter
als im Landesinneren. Zudem war mit René Wilke im Mai der langjährige
Bürgermeister und Platzhirsch der Stadtpolitik in die Landespolitik
gewechselt und der Gegner in der Stichwahl, der parteilose Einzelbewerber
Axel Strasser, war wenig bekannt. Dennoch kam AfD-Kandidat Wilko Möller
nicht über das Ergebnis der ersten Runde hinaus: 32,4 Prozent stimmten für
ihn.
In 5 von 18 Kommunen, in denen Ende September die erste Runde der
Bürgermeisterwahlen stattfanden, war die AfD in die Stichwahl eingezogen.
Am Sonntag verloren ihre Kandidaten auch in Wriezen und in
Eisenhüttenstadt, wo Maik Diepold mit 43 Prozent ihr bestes Ergebnis
erzielte.
Allen drei Wahlen ist gemein: Im Vergleich zur ersten Runde konnten die
Rechtsextremen ihren Stimmenanteil nur minimal steigern. Ganz
offensichtlich gelingt es der Partei nicht, über die ihr zugeneigte
Kernklientel noch Unentschlossene zu mobilisieren. Anders gesagt: Wer beim
ersten Mal nicht eine*n AfD-Kandidat*in wählt, tut es in einer Stichwahl
auch nicht. Viel spricht dafür, dass dieses Ergebnis nach den letzten
beiden Stichwahlen im Bad Freienwalde und Oranienburg am nächsten Sonntag
Bestand haben wird.
Grund zur Beruhigung, gar zu hämischer Freude über die „Loser-Partei“ AfD,
wie es in vielen Kommentaren im Netz zu lesen ist, ist das aber dennoch
nicht. Die AfD hat sich verankert, vereint ein gutes Drittel der
Wähler*innen hinter sich und vergiftet das politische Klima, auch ohne
an der Macht zu sein. Und dennoch: Ein Fatalismus des unaufhaltsamen
Kippens in Richtung der Rechtsextremen ist unangebracht.
13 Oct 2025
## LINKS
[1] /Kommunalwahl-in-Brandenburg/!6009940
[2] /AfD-unterliegt-bei-Buergermeisterwahlen/!6111510
[3] /Oberbuergermeister-in-Frankfurt-Oder/!6102221
[4] /Buergerentscheid-zur-Abwahl/!6086743
[5] /OB-Wahlen-in-Potsdam-und-Frankfurt/!6111427
[6] /Landtagswahlen-in-Brandenburg/!6037865
## AUTOREN
Hanno Fleckenstein
Susanne Memarnia
Erik Peter
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