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# taz.de -- Shortlist zum Deutschen Buchpreis: Ringen mit der Gegenwart
> Auflösung, Zerstörung, Sprachen für Wut und das Nichts: Diese sechs
> Romane stehen auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis.
Bild: Der Deutsche Buchpreis wird am 13. Oktober zum Auftakt der Frankfurter Bu…
Eigentlich, man weiß es ja, sind Minuten immer gleich lang. Die Zeit
verläuft, wie sie eben verläuft, die Zukunft ist immer gleich weit
entfernt. Doch die Art und Weise, wie sich gerade die Ereignisse
überschlagen, wie gestern Gesagtes heute nicht mehr gilt, hat eine
merkwürdige Schieflage geschaffen: Die Welt dreht sich weiter, gleichzeitig
ziehen verschiedenste Kräfte sie beharrlich in die entgegengesetzte
Richtung. Wringen, das ist vielleicht die Bewegung, die diesen Zustand am
besten verdeutlicht, vor und zurück, man presst und presst und presst noch
den letzten Tropfen heraus.
In den sechs Romanen, die nun auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis
stehen, wird kräftig gewrungen, diese unsere Gegenwart, gerungen mit der
Oberfläche. Auflösungen stehen im Raum, allen voran [1][im großartigen
Roman von Dorothee Elmiger.] „Die Holländerinnen“ erzählt von einer Suche
im Urwald, nach zwei verschwundenen Frauen, nach Bedeutung, während das
Zeichensystem über der Erzählerin zusammenbricht.
Bei Thomas Melle erfolgt der Bruch im Innern: Ins „Haus zur Sonne“ checkt
ein, wer vom Leben nichts mehr erwartet. Der zum vierten Mal für den
Deutschen Buchpreis nominierte Melle [2][findet in seinem Roman eine
Sprache für das Nichts.]
## Sprachen für Wut und Zerstörung
Eine Sprache für die Wut sucht hingegen Fiona Sironic. „Am Samstag gehen
die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft“ – es geht ums
Festhalten und Loslassen, ums Bewahren und Zerstören. Gegenläufige Kräfte
sind auch hier am Werk.
Die Katastrophe ins Auge fasst Kaleb Erdmann. „Die Ausweichschule“ geht dem
Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium nach, den Erdmann 2002 selbst
miterlebte. Jehona Kicaj greift in „ë“ ebenfalls auf ihre Jugend zurück: …
ihrem Debütroman rekapituliert sie das Aufwachsen in Deutschland als Kind
von aus dem Kosovo geflohenen Eltern, widmet sich dem Konflikt, der Ende
der 1990er Jahre während der Jugoslawienkriege ausgefochten wurde.
Eine etwas anders geartete Rolle spielt der Tod wiederum bei Christine
Wunnicke: [3][In „Wachs“ folgt die Leserin einer Anatomin im Frankreich des
18. Jahrhunderts auf der Suche nach Leichen;] um zu zerlegen, was später
zerfällt.
„Psychologische, gesellschaftliche und politische Abgründe“ also, räumt
Jurysprecherin Laura de Weck in einer Pressemitteilung ein, die sich in
dieser Shortlist auftun. Im hohen Maße gegenwärtig, das sind die Titel in
jedem Fall. Der Deutsche Buchpreis wird am 13. Oktober zum Auftakt der
Frankfurter Buchmesse verliehen.
16 Sep 2025
## LINKS
[1] /Neuer-Roman-von-Dorothee-Elmiger/!6103400
[2] /Neuer-Roman-von-Thomas-Melle/!6105008
[3] /Historienroman-von-Christine-Wunnicke/!6081461
## AUTOREN
Julia Hubernagel
## TAGS
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse
Shortlist
Deutscher Buchpreis
Frankfurt am Main
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse
Longlist
Thomas Melle
Roman
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Holländerinnen“.
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