| # taz.de -- Catcalling auf Berlins Straßen: Geiler Arsch ist kein Kompliment | |
| > Die Bundesjustizministerin will verbale sexuelle Belästigungen strafbar | |
| > machen. Doch das Problem liegt eher in der frauenfeindlichen | |
| > Rechtsprechung. | |
| Bild: Die Initiative @catcallsof macht in 127 deutschen Städten auf Catcalling… | |
| Berlin taz | Darf ich mal abbeißen?“, hat er gefragt und seine Lippen | |
| geleckt. Ein anderer: „Ey, guck mal die geile Schlampe. So eine muss man | |
| direkt ficken, von vorne und von hinten.“ Klar diskriminierend – und | |
| trotzdem ist Catcalling, also verbale sexuelle Belästigung im öffentlichen | |
| Raum, hierzulande [1][als berührungslose Belästigung nicht strafbar.] | |
| Dabei reichen die Folgen von emotionalen Schäden bis hin zu psychischen | |
| Erkrankungen. Und es fängt früh an: Das Durchschnittsalter für den ersten | |
| Catcall beträgt in Deutschland Studien zufolge 15,5 Jahre. Die Täter sind | |
| zu fast 100 Prozent Männer. | |
| Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) hat sich nun dafür | |
| ausgesprochen, Catcalling unter Strafe zu stellen. Im Koalitionsvertrag | |
| hatten SPD und Union vereinbart, zu prüfen, ob eine Erweiterung des | |
| strafrechtlichen Schutzes vor Belästigungen möglich ist. | |
| Eine Umfrage des Spiegel unter den Landesjustizminister*innen zeigt | |
| nun: Die meisten Länder (sieben) sind für ein gesetzliches Verbot, drei | |
| sind dagegen, darunter Berlin. Sechs Länder sind nicht eindeutig dagegen, | |
| wollen aber einen Vorschlag abwarten. Manche würden Probleme in der Praxis | |
| sehen. Bayern etwa habe erklärt, dass es schwierig sei, im Gesetz eine | |
| „klare Grenze“ zwischen „unangebrachten, aber noch zulässigen Äußerung… | |
| und „unzulässigen Belästigungen“ zu ziehen. | |
| ## Das Problem ist keine Strafbarkeitslücke | |
| Doch das Argument zieht nicht: Verbale Grenzüberschreitungen sind in den | |
| allermeisten Fällen eindeutig. Für Grauzonen ist der Rechtsstaat da: um zu | |
| prüfen, abzuwägen und je nach Kontext zu entscheiden. Dass andere Länder | |
| wie Frankreich, Portugal oder die Niederlande Catcalling längst mit | |
| Geldstrafen ahnden, zeigt: Es ist machbar. | |
| Die Voraussetzung ist ein Verständnis für die Lebensrealitäten von Frauen | |
| und echter Wille, Frauen zu schützen. Aber genau daran fehlt es in der | |
| deutschen Justiz. Das zeigen Vorfälle, in denen Catcalling zur Anzeige | |
| gebracht wurde. Denn Catcalling kann bereits als Beleidigung nach Paragraf | |
| 185 StGB, der die Ehre schützt, strafrechtlich geahndet werden. Doch am | |
| Ehrverständnis der Staatsanwält*innen hapert es. So gilt „Du Schlampe“ | |
| als Beleidigung der Ehre, „geiler Arsch“ hingegen nicht. 2017 urteilte der | |
| Bundesgerichtshof, die Aussage eines 65-jährigen Mannes gegenüber einem | |
| 11-jährigen Mädchen, er wolle ihr „an ihre Muschi fassen“, enthalte keine | |
| „herabsetzende Bewertung“. | |
| Es zeigt sich: Das Problem ist keine Strafbarkeitslücke, es ist eine | |
| Haltungslücke – basierend auf einem misogynen Verständnis von Ehre. | |
| [2][Statt Gewalt gegen Frauen konsequent zu ahnden, tragen Justiz und | |
| Institutionen durch sexistische Verfahrensweisen zur Fortsetzung der Gewalt | |
| bei] – etwa, indem Frauen eingeschüchtert, nicht ernst genommen werden oder | |
| Täter-Opfer-Umkehr betrieben wird. Es braucht daher | |
| Sensibilisierungsschulungen für Polizei und Justiz, wie man Frauen in | |
| solchen Situationen zu befragen hat. | |
| Zudem ist ein Verbot von Catcalling sinnvoll – auch wenn das Problem nicht | |
| die Strafbarkeitslücke ist. Denn: Gesetze haben auch eine symbolische | |
| Funktion. Sie spiegeln die Moralvorstellungen der Öffentlichkeit wider. Wer | |
| Catcalling nicht unter Strafe stellt, wie der schwarz-rote Senat und | |
| Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) es wohl planen, vermittelt: | |
| niedrigere frauenfeindliche Gewaltformen sind akzeptabel. Eine Strafbarkeit | |
| hingegen würde signalisieren: [3][Sexismus beginnt nicht erst bei | |
| körperlicher Gewalt.] | |
| 24 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lilly Schröder | |
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