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# taz.de -- Buch über das Sterben von Ulf Nilsson: Er hielt sich in der kleine…
> In Erwartung des Todes notiert der Schriftsteller Ulf Nilsson seine
> Gedanken in ein Büchlein. Postum werden sie veröffentlicht.
Bild: „Es ist leichter, derjenige zu sein, der stirbt, als jener, der weiterl…
Im Jahr 2021 starb der schwedische Kinderbuchautor Ulf Nilsson an Krebs.
Als er die Diagnose bekam, blieben ihm noch zehn Wochen zu leben.
Tatsächlich war das Sterben etwas, über das Nilsson, wie er irgendwann
während dieser letzten Wochen in sein Notizbuch schreiben würde, schon
grübelte, seit er sieben Jahre alt war. Und daher war es wohl seltsam
passend, dass gerade er die Gelegenheit erhalten sollte, sich ganz bewusst
darauf vorzubereiten.
Auch in den Kinderbüchern, die er verfasst hatte, war der Tod keineswegs
tabu. Vielleicht hatte Nilsson mit „Die besten Beerdigungen der Welt“ sogar
das schönste [1][Kinderbuch überhaupt über den Tod] geschrieben.
Das Bilderbuch, in Zusammenarbeit mit der Illustratorin Eva Eriksson
entstanden, erschien 2006 und wurde beinahe sofort zum Klassiker. Drei
Kinder gründen darin eine Beerdigungs-AG und begraben mit heiligem Ernst
alle toten Tiere, die sie finden können. Sie basteln Kreuze und Grabsteine,
und der Ich-Erzähler schreibt zu jeder Beerdigung ein Gedicht. Der letzte
Satz im Buch aber lautet: „Und am nächsten Tag machten wir dann etwas ganz
anderes.“
Das ist dem Autor im wirklichen Leben nicht mehr möglich. Die letzten zwei
Sätze in Nilssons posthum erschienenen Aufzeichnungen über seine letzten
Wochen lauten: „Schmerzlich meldet sich zwischendurch ein Gedanke: Ja, und
wenn all das hier überstanden ist, reisen wir nach Świnoujście, und am
Kiosk auf der Fähre kaufen wir Erdnüsse.“ Ausgerechnet an Erdnüsse zu
denken, mit einem Tumor wie ein „faustdicker Nagel“ im Bauch.
Mit „92 Flaschen Flüssignahrung, die jeweils dienstags vor der Wohnungstür
deponiert werden“, ist der Patient versorgt worden. Doch Nilsson notiert:
„Mitunter vergesse ich all das. Und erschrecke, wenn ich es merke.“
## Wie kleine Aphorismen
Die Notizen, die er in diesen letzten Wochen macht, sind kein
zusammenhängender Text, es sind Gedankengänge oder -splitter, die manchmal
wie [2][kleine Aphorismen] daherkommen, manchmal seine Lage wie von außen
zu betrachten scheinen, oft begleitet von milder Ironie. Rückschauend
schreibt er: „Alle Menschen, die ich getroffen habe, waren wunderbar.
Vielleicht habe ich einige vergessen …“
Er versucht sich zu bescheiden mit dem, was ihm noch bleibt: „Leben.
Denken. In der kleinen Blase des Jetzt leben.“ Das ist nicht immer einfach,
denn neben seiner eigenen Befindlichkeit beeinflusst ihn auch die Umwelt:
„Die Panik der frisch Geschockten ist problematisch. Ich gerate mit meiner
Entwicklung in Richtung Versöhnung mit einem Mal um einen ganzen Monat in
Verzug. Es ist leichter, derjenige zu sein, der stirbt, als jener, der
weiterlebt.“ Was für ein Gedanke.
Er sei die ganze Zeit „unglaublich gelassen“ gewesen, schreibt die
Schriftstellerin Lotta Olsson, Ulf Nilssons Ehefrau, in ihrem Vorwort. „In
der kleinen Blase des Jetzt“ nennt sie das Büchlein, das sie aus diesen in
den letzten Lebenswochen („zehn seltsam schöne Wochen, voller Wärme“)
verfassten Aufzeichnungen ihres Mannes in 146-facher nummerierter Auflage
herstellen lässt und auf seiner Gedenkfeier an die Trauergäste verteilt,
„darunter Verleger, die der Meinung waren, es sollten noch mehr die
Gelegenheit haben, es zu lesen“.
146, so viele Bücher soll Ulf Nilsson im Laufe seines 73 Jahre währenden
Lebens geschrieben haben. Es wird zu seiner Gelassenheit in Erwartung des
Todes beigetragen haben, dass immerhin ein Teil von ihm in ihnen
weiterlebt.
19 Aug 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Katharina Granzin
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