# taz.de -- Schriftstellerdasein: Wie Lotto spielen | |
> In Leipzig diskutierten Schriftsteller*innen auf einer | |
> „Betriebsversammlung“ die Lebensumstände von Schreibenden. | |
Bild: Der Buchmarkt ist unter Druck – nicht nur, weil weniger Bücher verkauf… | |
Die Literatur ist ein herausforderndes Geschäft. Und doch: „Wir sind | |
verdammt gut in unserem Job, warum also ist unser Job nicht gut zu uns?“, | |
fragt die Stimme aus dem Off zu Beginn des Abends. Etwa hundert Menschen, | |
darunter Schriftsteller*innen, Journalist*innen und Dramaturg*innen, | |
sind an diesem Sonntag dem Aufruf zur „Betriebsversammlung“ im | |
Ost-Passage-Theater in Leipzig gefolgt. | |
Eingeladen haben die Autor*innen [1][Yade Yasemin Önder] und Svenja | |
Gräfen. Unter dem Titel „Prekär, aber poetisch? – Die Lebensrealitäten v… | |
Autor*innen“ wollen sie mit Anke Stelling und Christian Dittloff ins | |
Gespräch kommen: über das Schreiben, Neid und Solidarität unter | |
Schreibenden. | |
Die Runde beginnt ohne Umschweife: „Wie sieht’s bei euch aus? Könnt ihr | |
gerade vom Schreiben leben?“, fragt Önder. Das Publikum lacht, Dittloff und | |
Stelling sind zögerlich. Für die beiden Autor*innen scheint es eine | |
Frage der Definition. Denn was gehört eigentlich alles zum Job eines | |
Schriftstellers? Nur die Zeit, in der man schreibt, oder auch die Zeit, die | |
man für das Schreiben nützt? | |
„Und gehören Transferleistungen und Förderungen auch zu dem Topf, von dem | |
man als Schriftstellerin lebt?“, fragt die Buchpreisgewinnerin ins | |
Publikum. In den ersten Reihen wird genickt. „Dann ja“, sagt Stelling. Was | |
es mit Schriftstellerinnen macht, finanziell von Förderungen, Stipendien | |
und Preisen abhängig zu sein, macht Stelling deutlich: Sie reichen ihre | |
Texte wie Lottoscheine ein – in der Hoffnung, eines Tages doch mal zu | |
gewinnen. Denn die Preise, darauf weist Dittloff hin, können | |
lebensentscheidend sein, bestimmen bei Dotierungen in Höhe von 20.000 Euro | |
im Zweifel das gesamte Leben des nächsten Jahres. | |
## Buchmarkt unter Druck | |
Klar ist: Der Buchmarkt ist unter Druck – nicht nur, weil weniger Bücher | |
verkauft werden, sondern weil sich Verlage stärker auf Bestseller statt auf | |
Einzeltitel fokussieren. Stelling stellt deswegen zur Debatte, ob man | |
überhaupt jemals von Büchern leben konnte: „Der Kapitalismus macht doch vor | |
der Literatur keinen Halt!“ | |
Gräfen hält eine aktuelle Studie zum Einkommen von Autor*innen des | |
Verbands der deutschen Schriftsteller*innen entgegen: „Der hohe Umsatz | |
verteilt sich nur nicht auf die Autor*innen!“ Der Verband fordert deshalb | |
eine strukturelle Verlagsförderung, die angemessene Honorare und | |
verhältnismäßige Beteiligungen für Autor*innen zur Voraussetzung macht. | |
Auch zwischen den Kolleg*innen sorgen die unsicheren und geringen | |
finanziellen Erfolgschancen für Druck. Denn oft zahlt sich ja insbesondere | |
die vermeintliche Einzigartigkeit in der Buchbranche aus. Das sorgt für | |
Vergleiche untereinander. Als Dittloff feststellt, dass es eine Autorin | |
gibt, die wie er ein Buch über das Sterben der Eltern geschrieben hat, ist | |
sein erster Gedanke: „Unsere beiden Bücher kannibalisieren sich selbst!“ | |
Dittloff trifft die Autorin deshalb vorher, sie versuchen sich zu | |
verbünden, gegenseitig zu empfehlen. | |
## Geld hilft beim Schreiben! | |
Nach der Pause nehmen die Ersten aus dem Publikum an der | |
Betriebsversammlung teil. Eine Autorin beklagt, dass die hohen Umsätze in | |
der Buchbranche nicht bei den Autor*innen ankommen: „Seid ihr da nicht | |
manchmal wütend?“ Einem anderen Zuschauer wird zu viel gejammert. Er fragt: | |
„Würde Geld euch wirklich helfen, besser beim Schreiben zu werden?“ Klare | |
Antwort von Svenja Gräfen: „Ja!“ | |
Dittloff und Stelling betonen, es sei wichtig, über Missstände zu sprechen, | |
um zu wissen, wie es um die Literatur bestellt ist. | |
Wie also weiter? Svenja Gräfen empfiehlt den Eintritt in eine | |
Genossenschaft wie der Zoralit für Menschen im Literaturbetrieb. Ansonsten | |
ist sich Autorin Yade Yasemin Önder sicher: Gute Texte bleiben. Und das | |
wollen hier heute Abend alle hoffen. | |
12 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Anna Hoffmeister | |
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