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# taz.de -- Steigende Preise: Tierisch große Not
> Coronapandemie, Energiekrise: Die Kosten für ihre Katzen und Hunde zu
> stemmen, ist für viele schwierig. Der Andrang bei den Tiertafeln ist
> hoch.
Bild: Hündin Josy vor der Tiertafel Düsseldorf
Hamburg epd | Kara Schott hat ein Herz für Tiere, schon immer. „Es ist in
meiner Familie Tradition, sich um Tiere und Menschen zu kümmern“, sagt die
40-Jährige. Die ehrenamtliche Leiterin der [1][Hamburger Tiertafel] hat
ihre roten Haare zum Zopf gebunden, wuchtet eine Palette Hunde-Dosenfutter
auf den Tisch. Hier stapeln sich bereits Tüten mit Katzenfutter, Leckerlis,
Schonkost, Hundetee. „Leckerlis sind immer der Renner“, sagt die
Kosmetikerin. In der aktuellen Krise haben immer mehr Menschen Probleme,
die Kosten für ihre geliebten Haustiere zu stemmen. Bundesweit helfen
[2][Tiertafeln] mit Sachspenden, damit Mensch und Tier zusammenbleiben
können.
Alle zwei Wochen verteilen Schott und knapp 15 ehrenamtliche Helfer und
Helferinnen alles, was Hund, Katze und Nager benötigen – von Futter,
Hundeleinen, Transportboxen bis hin zu Spielzeug oder Schlafkörbchen.
„Durch Corona und Geflüchtete aus der Ukraine brauchen wir deutlich mehr
Futter“, sagt Schott, die seit 17 Jahren bei der Tiertafel arbeitet. Zu den
Ausgabeterminen kommen zwischen 80 und 120 Menschen. Es werden immer mehr,
denn nach pandemiebedingten Kündigungen, Kurzarbeit und steigenden Energie-
und Lebensmittelpreisen sind nun auch die Behandlungen beim Tierarzt teuer
geworden: Seit 22. November ist eine neue Gebührenordnung mit teils
deutlich höheren Preisen in Kraft.
Für viele Tafel-Besucher war der Tierarzt schon vorher zu teuer, deshalb
gibt es hier auch tierärztliche Hilfe und Spezialfutter. „Besonders ältere
und allergische Tiere sind auf abgestimmtes Futter angewiesen“, erklärt
Schott. Gerade kniet Tierheilpraktiker Karsten Höhne auf der Matte und
behandelt die Gelenkprobleme eines Chihuahua-Hundes mit Laserakupunktur,
Mike Albertsen vom „Tier-Notruf.de“ tupft die Wunde eines großen Hundes ab.
Schätzungsweise 1.000 Tiere versorgt die ehrenamtliche Hamburger Tiertafel
aktuell. Für Geflüchtete aus der Ukraine findet parallel eine separate
Ausgabe statt, um im Winter die Wartezeit für alle so kurz wie möglich zu
halten. Auch andere Tiertafeln haben alle Hände voll zu tun: In Berlin hat
sich die Nachfrage durch ukrainische Geflüchtete mehr als verdoppelt, 500
Tierhalter benötigten bis Juli eine Erstausstattung, 250 kommen regelmäßig
vorbei.
## Aufnahme-Stopp mit Warteliste
In München stieß die Tiertafel bereits an ihre Grenzen. „Wir waren vorher
schon am Limit und dann kamen 130 ukrainische Familien mit ihren Haustieren
dazu“, sagt ihre Leiterin Andrea de Mello. Seit Juni gibt es in München
einen Aufnahme-Stopp mit Warteliste. „Aktuell haben wir vermehrt Anfragen
von Menschen, die Arbeit haben“, erzählt de Mello. Durch enorm gestiegene
Lebenshaltungskosten könnten Familien plötzlich anfallende Tierarztkosten
oder teures Spezialfutter „einfach nicht mehr auffangen“.
Auch Kara Schott kennt viele traurige Geschichten. „Was ich hier miterlebe,
berührt mich schon sehr“, sagt sie. Manche verloren ihren Job, sind
arbeitsunfähig, obdachlos oder leben von Hartz IV. Oft haben sich Freunde
und Familie abgewendet. Ohne ihren Hund würden einige gar nicht aufstehen,
aber Waldi müsse nun mal raus: „Das Haustier ist oft der letzte Freund, den
es gibt“, weiß Schott. Manchmal ist die Tiertafel auch nur eine
Zwischenstadtion. „Wer sich keine Sorgen mehr um sein Tier machen muss,
kann für sich nach vorn gucken und findet dann vielleicht auch einen Job“,
sagt Schott.
Andere wie Gabriela Kochbatir haben bereits ihr Leben lang gearbeitet.
„Meine Rente reicht einfach nicht“, erzählt die Altenpflegerin, die
ehrenamtlich Demenzkranke betreut. Sie benötigt Spezialfutter für ihren
zehnjährigen Kater Mikesch. „Er ist mein Ein und Alles“, sagt sie und
lacht. Dankbar steckt sie die Futterdosen in ihren Beutel. Hilfe von der
Tiertafel bekommt man grundsätzlich nur, wenn das Tier schon vor der
Notlage da war. „Wir wollen keine unüberlegten Neuanschaffungen
unterstützen“, erklärt Schott entschieden.
Verantwortungslos findet die engagierte Tierfreundin auch, wie teilweise
mit Tierfutter umgegangen werde. Die Tiertafel ist auf Spenden angewiesen
und braucht dringend Futter. Hier könnten Hersteller und Fachhändler nicht
nur an Weihnachten deutlich mehr tun: „Es wird immer schwieriger, an
Spenden zu kommen“, sagt Schott. Auf der anderen Seite werde Futter, das
gerade abgelaufen sei, einfach vernichtet. Schott: „Tierfutter gehört nicht
in den Müll.“
15 Dec 2022
## LINKS
[1] http://www.tiertafelhamburg.de/
[2] /Niedersachsen-Wer-zahlt-das-Tierheimfutter/!5346065
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Inflation
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