Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verbandspräsident zum Lieferkettengesetz: „Eine praxisferne Vors…
> Firmenchef und VDMA-Präsident Martin Welcker lehnt die Gesetzesinitiative
> zu Lieferketten ab. Unfälle bei Zulieferern könnten Unternehmen nicht
> ausschließen.
Bild: Das soll das Gesetz verhindern: Trauer um eine in der Textilfabrik Rana P…
taz: Herr Welcker, Sie sind Präsident des Verbandes der Maschinenbauer
(VDMA) und leiten die Schütte-Gruppe in Köln. Unternehmen wie Ihres sollen
dafür sorgen, dass die Beschäftigten von Zulieferfirmen im Ausland faire
Arbeitsbedingungen genießen. Das will die Bundesregierung im
Lieferkettengesetz festlegen. Was spricht dagegen?
Carl Martin Welcker: Gegen Menschenrechte spricht nichts. Der
Gesetzesvorschlag ist aber in der Ausarbeitung viel zu unpräzise und hilft
wenig. Der Überwachungsaufwand und die im Gesetz angelegte Bürokratie
entlang der gesamten Lieferkette, die uns Unternehmen auferlegt würde,
stünden in keinem Verhältnis zum Fortschritt bei den weltweiten
Menschenrechten.
Konkret geht es darum, dass Ihr [1][Unternehmen beispielsweise
kontrollieren soll], ob die Fabrikhalle eines Hauptzulieferers sicher
gebaut ist, damit die Beschäftigten nicht bei einem etwaigen Zusammenbruch
getötet werden.
Wir arbeiten in meinem Unternehmen mit rund 480.000 unterschiedlichen
Artikeln. An manchen dieser Artikel sind bis zu 100 Zulieferer in mehreren
Ländern beteiligt. Wenn das Gesetz wie geplant beschlossen würde, müssten
wir viel zu viele Firmen überprüfen. Welche Mittel und Möglichkeiten soll
ich als deutscher Mittelständler haben, vermeintliche Rechtsverletzungen
bei all diesen Unterlieferanten in der Welt zu kontrollieren? Für
Bauzulassungen, Abnahmen und Prüfungen sind beispielsweise die jeweiligen
Landesbaubehörden zuständig.
[2][2013 brach die Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch zusammen]. Über
1.000 Arbeiter:innen starben dabei.
Stabile Bauten zählen meines Wissens nicht zu den Menschenrechten. Aber es
ist interessant, dass Sie meinen, auch dafür wären deutsche Unternehmen
nach dem Lieferkettengesetz verantwortlich. Sollen wir auch die Bremsbeläge
der Autos unserer Zulieferer kontrollieren? Niemand kann hundertprozentig
garantieren, dass keine Unfälle in seiner Lieferkette passieren. Deshalb
gibt es viele Fragen zu dem Gesetz. Die Politik muss erst einmal exakt
klären, wofür die Unternehmen Verantwortung tragen sollen.
CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller und SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil
wollen den Unternehmen nichts Unmögliches aufbürden. „Angemessenheit“
lautet das Stichwort. Wirklich sorgen müssten Sie sich nur um die
Arbeitsbedingungen bei Ihren Hauptlieferanten. Sie brauchen nicht Ihre
Lieferkette bis in den letzten Winkel Asiens auszuleuchten.
Leider steht das eben so nicht in dem Gesetzentwurf. Und was bedeutet denn
„Angemessenheit“? Die Unternehmen sollen „vorhersehbare“ und „vermeid…
Risiken ausschließen – sonst können sie verklagt werden und haften für
eventuelle Schäden. Bei vielen Zulieferern in Dutzenden Staaten existieren
jedoch mögliche Probleme, bei denen die Zuständigkeit Auslegungssache ist.
Selbst in den USA: Der Bundesstaat South Carolina macht es Gewerkschaften
sehr schwer. Nun zählt die Vereinigungsfreiheit bekanntlich zu den
Menschenrechten, die die Bundesregierung schützen will. Wie sollen
Unternehmen mit diesem Konflikt umgehen? Das Gesetz schafft also keine
Rechtssicherheit, sondern das Gegenteil – Rechtsunsicherheit.
Wenn Regierungen freie Gewerkschaften behindern oder wie in China gar
verbieten, sind nicht in erster Linie Manager wie Sie dafür verantwortlich.
Würden Sie deshalb vor hiesigen Gerichten verklagt, kämen die Kläger:innen
damit wohl nicht durch.
Wahrscheinlich nicht, aber Sie sagen selbst „in erster Linie“. In jedem
Fall hätte ich den Aufwand mit Gutachten, Rechtskosten und eventuell einen
Reputationsverlust wegen vermuteter Menschenrechtsverletzungen. Zudem lese
ich in den Eckpunkten zum Gesetzentwurf, dass nicht die Rechtsnormen des
Produktionslandes gelten sollen, sondern die deutschen. Deshalb muss die
Regierung sehr genau definieren, was das für Konfliktfälle wie
beispielsweise die Vereinigungsfreiheit, Sicherheit, Privatsphäre und
vieles mehr bedeutet.
Ich möchte sicher sein, dass nicht wir für Menschenrechtsverletzungen
verantwortlich gemacht werden, die wir nicht beeinflussen können.
Vorhersehbar, vermeidbar und angemessen sind keine klaren Rechtsbegriffe.
Wir übernehmen gerne Verantwortung, wir möchten nur vorher zusammen mit der
Politik klären, wofür.
Sie fürchten, dass mittelständische Unternehmen zu sehr belastet würden.
Sie haben knapp 600 Beschäftigte und 120 Millionen Euro Jahresumsatz. Warum
stellen Sie nicht zwei Leute ein, die sich speziell um die Menschenrechte
in Ihrer Lieferkette kümmern?
Mit zwei Mitarbeitern kämen wir nicht aus. Wenn man mehrere tausend
Lieferanten gerichtsfest auf die unterschiedlichen Kategorien der
Menschenrechte hin überprüfen will, müsste die gesamte Belegschaft Tag und
Nacht daran arbeiten. Eine praxisferne Vorstellung.
Sie kritisieren den deutschen Alleingang bei dem Gesetz und fordern eine
internationale Regulierung. Ist das nicht der Versuch, alles auf die lange
Bank zu schieben?
Internationale Vereinbarungen sind natürlich ein mühsamer Weg. Man sollte
mindestens auf EU-Ebene beginnen. Dem versperrt sich die Wirtschaft nicht.
Die Missachtung der Menschenrechte stellt tatsächlich ein globales Problem
dar. Ich bezweifle zwar, dass wir große Missstände in den Zulieferketten
der deutschen Maschinenbauer finden. Aber das soll uns nicht hindern,
mögliche Verletzungen aufzudecken. In jedem Fall brauchen wir praxisnahe
Lösungen.
8 Sep 2020
## LINKS
[1] /Eckpunkte-fuer-Lieferkettengesetz/!5697309/
[2] /Juristin-zu-Fabrikeinsturz-in-Bangladesch/!5497476&s=Rana+Plaza/
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Lieferketten
Menschenrechte
Außenhandel
Bangladesch
Lieferketten
Lieferketten
Gerd Müller
Welthandel
Lieferketten
Lieferketten
Lieferketten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Erneut Fabrikbrand in Bangladesch: Mehr als 50 Tote
Das Feuer in einer Industriestadt in der Nähe von Dhaka ist noch nicht
gelöscht. In der Fabrik wurden Lebensmittel hergestellt.
Bundestag beschließt Lieferkettengesetz: „Nie wieder Rana Plaza“
2013 stürzte das Produktionsgebäude in Bangladesch ein, mehr als 1.100
Näher:innen starben. Nun hat der Bundestag das Lieferkettengesetz
beschlossen.
Streit übers Lieferkettengesetz: CSU frustriert, SPD sauer
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) blockiert weiterhin das
Lieferkettengesetz. Jetzt droht die SPD mit der Anrufung des
Koalitonsausschusses.
Entwicklungsminister in der Kritik: Plus Eins im Regierungsjet
Gerd Müller (CSU) soll seine Ehefrau mehrmals mit auf Dienstreisen genommen
haben. Für Abgeordnete war deswegen offenbar kein Platz im Flieger.
Ökonom zu Lieferkettengesetz: „Das ist eine Frage des Anstands“
Das Lieferkettengesetz soll Menschenrechte sichern – und überfordert weder
Mittelstand noch Exporteure, sagt der Wirtschaftsweise Achim Truger.
Verantwortung für Lieferketten: Altmaier bremst Gesetz aus
Zulieferfabriken sollen die Menschenrechte einhalten. Doch allzu weit soll
die Verantwortung der Unternehmen nicht gehen, fordert das
Wirtschaftsministerium.
Widerstand gegen Lieferkettengesetz: Betriebswirtschaftlich blind
Die Wirtschaft sträubt sich, Verantwortung für die Lieferketten zu
übernehmen. Das ist nicht nur moralisch, sondern auch wirtschaftlich
falsch.
Ökobilanzen-Experte über Transparenz: „Wir zeigen, dass es geht“
Ein Gesetz soll Kinderarbeit verhindern. Es gibt aber für Unternehmen viel
mehr Gründe, die Lieferkette transparent zu machen, sagt Klaus Wiesen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.