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# taz.de -- Nachruf auf Sean-Patric Braun: Do-It-Yourself als Prinzip
> Sean-Patric Braun holte Indie-Musiker nach Bremen, die ihren Ruhm erst
> noch vor sich hatten. Am 31. Dezember verstarb der 46-Jährige
> überraschend.
Bild: Sean-Patric Braun machte sich auch als DJ einen Namen.
BREMEN taz | Sean-Patric Braun hat in Bremen schon Konzerte veranstaltet,
als es sonst noch kaum jemand tat. Das heißt: Natürlich spielten hier und
da immer irgendwelche Bands. Aber zu Beginn des neuen Jahrtausends machte
die Bremer Musikszene ihrem Ruf, ein fades Freilichtmuseum für die 1980er
Jahre zu sein, alle Ehre.
Im Lagerhaus etwa galt mexikanischer Ska-Punk als absoluter Höhepunkt eines
Musikjahres – und das war wirklich mehr als schlimm! Mit der kleinen
Agentur „Kogge Pop“, die Braun mit Malte Pries seit 2004 betrieb,
veranstaltete Pat, wie ihn seine Freunde nannten, Konzerte von Aktualität
und Format.
Für Indie-Musik schuf Braun in Bremen einen großen Teil der Infrastruktur.
Er plakatierte meist alleine und sah dabei aus wie ein Schuljunge. Mit
Käppi, Bandshirt und Baggypants sah man ihn an den Abenden im Viertel um
die Häuser ziehen: in der Hand der Kleistereimer, über der Schulter ein
Stoffbeutel mit gerollten Konzertplakaten. Das Wetter war ihm egal. Wenn er
seine Poster verklebt hatte, traf man ihn im „Eisen“.
Holly Golightly war eine der großartigen Musikerinnen, die auf seine
Einladung 2007 im „Römer“ auftrat. Die britische Sängerin spielte mit ihr…
Band „The Brokeoffs“ vor ausverkauftem Haus. Das war nicht immer so.
Tatsächlich waren manchmal nur zehn Leute im Publikum. Braun holte dennoch
Bands für Konzerte in den Römer, den Tower, das Lagerhaus und den
Schlachthof: Er hatte eine eigene Art von musikalischem Selbstverständnis,
dem er sich missionarisch widmete.
## Auf der Höhe mit Intro und Spex
Was ihn interessierte, war junge, internationale Indie-Musik. Zeitschriften
wie Intro oder Spex führten sie bereits auf dem Cover. Für Konzerte musste
man aus Bremen allerdings stets nach Berlin oder Köln fahre. Wenn man Glück
hatte, gab es wenigstens in Hamburg einen Auftritt.
Weil Braun gerne in Bremen wohnte, hier aber kaum eine der Bands zu sehen
war, die er liebte, holte er sie einfach selbst hierher. So bekam das
Bremer Publikum schon früh Bands wie „Blood Red Shoes“ oder „The
Weakerthans“ zu sehen, die ihren Ruhm erst noch vor sich hatten.
„Wenn die Musikgruppen zu groß wurden, hörten sie auf, ihn zu
interessieren“, berichtet Pries. Braun mochte Do-It-Yourself als
Arbeitsprinzip. Stargehabe passte da nicht. „Einmal wollte eine größere
Band, um Geld zu sparen, ihrer Vorband das Essen streichen. Das hat Pat so
sehr geärgert, dass er der Vorband den ganzen Abend über die Getränke
spendierte“, erzählt er.
## Im Römer legte Braun Neuentdeckungen auf
Braun kannte sich aus, so sagen es alle seine Weggefährten. „Als er in den
1990er Jahren im Römer auflegte, spielte er gerne seine Neuentdeckungen. Es
ärgerte ihn, dass die Leute immer nur zu den bekannten Songs tanzten“,
erzählt Fernando Guerrero, Inhaber der Kneipe „Eisen“ im Viertel und
langjähriger Freund. „Dabei konnte man sich auf sein Gespür verlassen.
Bereits 1989 schleppte er mich zu einem kleinen Konzert der völlig
unbekannten Band Nirvana nach Oldenburg“, erinnert sich Guerrero.
Bei „Ear“, einem Schallplattenladen im Steintor, in dem Braun hin und
wieder arbeitete, konnte man die passenden Platten kaufen. Auch Konzerte zu
veranstalten ist harte Vermittlungsarbeit und Braun betrieb sie mit viel
Eifer. Er überzeugte die Leute in der Stadt von der Qualität dieser Musik,
die ihn so begeisterte. Dafür brauchte er Ausdauer und die hatte er. In
Bremen wusste man bald, dass er keinen Mist veranstaltete.
Zur Vermittlung gehörte für Braun immer schon das Schreiben über Musik –
zum Beispiel auf seinen Plakaten, in denen er die Musik der in Bremen noch
wenig bekannten Bands beschrieb. Was gar nicht so leicht war. Braun
jedenfalls entwickelte hier einen bemerkenswerten eigenen Stil.
## Rezensionen für den Weser Kurier
Für den Weser Kurier rezensierte er eine Zeit lang Konzerte – bis zu einem
Verriss eines Auftritts von Sarah Connor im Jahr 2004. Aus Delmenhorst käme
nur Golden Toast und Sarah Connor, hatte er geschrieben. Das war wohl zu
viel.
Verrisse schrieb Braun weiterhin gern und oft. Lange arbeitete er als
Redakteur der Zett, der Zeitung der Kulturzentren Schlachthof und
Lagerhaus, wo er die Musikseiten füllte.
2014 ging Kogge Pop in Konkurs. Braun war seitdem als freier Booker tätig.
2015 zog er zu seiner Freundin nach Hamburg, wo er mit Benedikt Ruess im
Revolver Club Konzerte von Bands wie den Melvins organisierte. Am 12.
Dezember saß er noch im Lagerhaus an der Kasse, wo die britische
Psychodelic-Wave-Band GURR spielte. Am 30. Dezember erlitt er einen
Zusammenbruch. Am folgenden Tag verstarb er überraschend in einem Hamburger
Krankenhaus.
3 Jan 2018
## AUTOREN
Radek Krolczyk
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