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# taz.de -- Steuertrick nach fünf Jahren verboten
> Ausschuss Vorwurf: Zwischen 2007 und 2012 hatten Banken Milliarden Euro
> Steuerrückzahlungen erschlichen, obwohl die Finanzaufsicht davon wusste.
> Finanzminister Schäuble sagt dazu, er habe schnell gehandelt
Bild: Ein Zeuge, der sich verteidigen muss: Schäuble im Ausschuss
Aus Berlin Hannes Koch
Das Schöne an Untersuchungsausschüssen im Bundestag ist der hohe
Promifaktor. Die Abgeordneten können namhafte Zeugen laden, die in der
Regel auch aussagen müssen. Am Donnerstag traf es Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble (CDU), der zu Steuergeschäften befragt wurde, mit denen
Banken und Investoren den Staat um schätzungsweise bis zu 20 Milliarden
Euro geschädigt hatten. Offiziell nur Zeuge, musste sich Schäuble jedoch
auch verteidigen.
Das Bundesfinanzministerium müsse mit Lobbyisten sprechen, mit ihnen sogar
zusammenarbeiten, auch wenn man den Interessenvertretern „nicht alles
glauben dürfe“, sagte Schäuble sinngemäß am Donnerstagnachmittag. „Wie …
man einen Gesetzentwurf machen, ohne mit denen zu reden, die ihn umsetzen
müssen?“, fragte der Minister in Richtung des Grünen-Abgeordneten Gerhard
Schick. Der Vizevorsitzende des Bundestag-Finanzausschusses hatte Schäuble
vorgeworfen, Lobbyisten von Banken auf den Leim gegangen zu sein. Diese
habe man an der Gesetzgebung beteiligt, obwohl ihre schlechten Ratschläge
zuvor zu Milliarden-Euro-Verlusten für die Staatskasse geführt hätten.
Schäuble wies diese Argumente zurück. Zügig habe er als Finanzminister ab
2009 ein Gesetz auf den Weg gebracht, um das sogenannte
Cum-Ex-Steuerschlupfloch zu stopfen. Zum 1. Januar 2012 sei das Gesetz in
Kraft getreten. Das Verfahren ging „ungewöhnlich schnell“, so Schäuble.
Der Finanzminister trat als letzter Zeuge im Untersuchungsausschuss um die
Cum-Ex-Geschäfte auf, die den deutschen Staat zwischen 1999 und 2012 bis zu
12 Milliarden Euro gekostet haben sollen. Der Begriff bezieht sich auf
Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividenden-Anspruch. Das Prinzip: Besitzer
der Aktien zahlten einmal Kapitalertragssteuer für die erhaltene
Gewinnausschüttung, ließen sich die Steuer aber mehrfach vom Finanzamt
zurückerstatten. Möglich wurden die lukrativen Tricks, indem Investoren
ihre Aktien im Umkreis des Termins der Dividenden-Zahlung schnell hin- und
herverkauften. Rechtlich waren dadurch zum gleichen Zeitpunkt mehrere Leute
im Besitz derselben Aktie.
Schick warf Behörden und Finanzministern wie Peer Steinbrück (2005 bis
2009, SPD) „krasses Organisationsversagen“ vor. Die dem
Bundesfinanzministerium unterstehende Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) habe spätestens ab 2007 über die
nötigen Informationen verfügt, das Ministerium habe sie jedoch ignoriert.
So seien nur halbherzige Versuche unternommen worden, das Finanzloch zu
stopfen, bemängelte Schick. Mittlerweile ermitteln Staatsanwälte,
Finanzämter fordern Steuern zurück, manche Banken wehren sich dagegen.
Verwandt mit diesem Steuertrick ist das Cum-Cum-Modell. Dabei verleihen
ausländische Inhaber deutscher Aktien diese zum Dividenden-Stichtag an
inländische Banken. Die können sich die auf die Dividendenausschüttung
fällige Kapitalertragssteuer vom Finanzamt zurückerstatten lassen – im
Gegensatz zu den ausländischen Investoren. Der Gewinn wird geteilt.
Auch dazu sagte Schick: „Das Thema tauchte immer wieder auf. Unternommen
wurde lange Zeit aber nichts.“ Der geschätzte Verlust in diesem Fall: 5 bis
6 Milliarden Euro. Das Bundesfinanzministerium unter Steinbrücks Nachfolger
Schäuble war wohl spätestens seit Frühjahr 2011 im Bilde. Damals erhielt
das Haus Hinweise über entsprechende Geschäfte der DekaBank, dem
Wertpapier-Institut der Sparkassen. Diese untersteht der direkten Aufsicht
des Finanzministeriums. Trotzdem gab es erst 2016 eine Gesetzesänderung,
die Cum-Cum erledigte. Bis heute ist nicht geklärt, ob die frühere Praxis
rechtswidrig war oder nur kreativ. Finanzämter und Banken streiten über die
Rückzahlung der damals erstatteten Steuer.
17 Feb 2017
## AUTOREN
Hannes Koch
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