# taz.de -- Hochglanz für herbe Jungs | |
> Kunst der Straße Die Berliner HipHop- und Graffiti-Szene prägt das Bild | |
> der Stadt. Eine Szene, die sich gar nicht in allem einig ist: zum | |
> Beispiel nicht darin, was noch Subkultur ist und was schon Mainstream. | |
> Der Sammelband „King Cool City Berlin“ vereinigt in Künstlerporträts | |
> verschiedene Positionen | |
Bild: So geht „King Kool City Berlin“: Alesh One bei der Arbeit mit Dosen, … | |
von Verena Krippner | |
„Wer ist dieser MC Fitti, der überall von den Plakatwänden grinst?“, frag… | |
im Jahr 2014 eine Journalistin der Zeit, um ihm einige Zeilen weiter | |
„erstaunliche Talentlosigkeit“ zu bescheinigen. Im Feuilleton ist die | |
Berliner HipHop-Szene dann willkommen, wenn sie für einen ironischen | |
Artikel über die „Hinterhofrapper“ taugt. | |
Anders als solche launischen Artikel im Kulturressort versteht sich der | |
Sammelband „King Kool City Berlin“ als Hommage an die Graffiti- und | |
HipHop-Künstler der Stadt. Auf 192 Seiten reihen sich Texte mit | |
eindrucksvollen Fotografien aneinander. Begegnungen mit den Sprayerlegenden | |
Poet oder Amok sind genauso zu finden wie eine Reportage über das | |
Graffiti-Phantom 1UP. Kool Savas und B-Tight erzählen über ihre Wege zur | |
Musik. Durch die porträtierten Künstler wird auch die Entwicklung von | |
HipHop und Graffiti thematisiert. | |
Im Interview spricht darüber der Berliner Breakdancer Chico. Mit seiner | |
Familie ist er in den 70er Jahren nach dem Militärputsch aus Chile | |
geflohen. Der damals Siebenjährige wächst in Westberlin auf. Er erlebt die | |
Anfänge der Breakdance-Szene und wird in den 80ern ein Teil von ihr. Was | |
mit energischen Straßenshows beginnt, wird spätestens mit der bundesweit | |
erfolgreichen Crew Flying Steps salonfähig. Mit 14 Jahren wird auch Chico | |
Mitglied einer Crew. Es folgen die ersten Verträge und Shows. Als heiß, | |
aggressiv und asozial beschreibt Chico die Anfangsjahre des Berliner | |
Breakdance. Auch ihn hatten für einige Zeit die Drogen im Griff, „ein | |
Scheißfilm“. | |
Bis heute fördert er junge Talente. Sein Weg ist beispielhaft für die | |
integrative Wirkung des HipHop. Wobei in der Abfolge der Berliner | |
Protagonisten in dem Buch auffällt: Kaum ein Künstler hat deutsche Wurzeln. | |
Sie sind aus allen Teilen der Welt in der Stadt gelandet. Und ihre | |
Karrieren hat Berlin gezeichnet. | |
Immer wieder werden in den Porträts in dem Sammelband auch dieselben Fragen | |
aufgeworfen: Ist kommerzielles Sprayen legitim? Wäre die Szene ohne die | |
Illegalität noch dieselbe, und wie wird Subkultur zum Mainstream? Fragen, | |
die die im Band vorgestellten Künstler je für sich beantworten. Die Szene | |
lebt von ihren Kontroversen. | |
Ein Künstler, der Lifestyle und Geschäftsmodell miteinander lebt, nennt | |
sich Alesh One. In seiner YAAM-Galerie an der Schillingbrücke gibt er | |
Graffitikünstlern eine Plattform. Nach einem abgebrochenen Studium wollte | |
der gebürtige Prager zuerst mit seiner Spraykunst Geld verdienen, später | |
arbeitete er in Agenturen. Wobei er sich bald so eingeengt fühlte, dass es | |
ihn wieder auf die Straße trieb. | |
Ein Freiraum, den er sich nicht nehmen lassen will. Bis heute malt Alesh | |
One, und das durchaus auch illegal, auf Berlins Straßen. „Und wenn ich | |
etwas zerstören muss, um einer Sache Ausdruck zu verleihen, dann finde ich | |
das nach wie vor legitim“, sagt er dazu. | |
## Frauen? Fehlanzeige | |
Auf den Fotos posiert er mit seiner Tochter. Übrigens das einzige weibliche | |
Gesicht, das in dem Sammelband zu sehen ist. Frauen scheinen die Autoren | |
außer Acht gelassen zu haben. Protagonistinnen finden sich nicht. Das | |
verblüfft, hat Berlin doch von Aziza A. bis SXTN auch etliche Rapperinnen | |
erfolgreich und groß gemacht. Aber „King Kool City“ verzichtet einfach auf | |
eine Frauenquote. Diese Perspektive fehlt eindeutig. | |
Die Fotografien von Rolf G. Wackenberg sind eben Hochglanz nur für herbe | |
Jungs. Mit ihnen kommt man aber zumindest den männlichen Künstlern der | |
Szene noch ein ganzes Stück näher. | |
15 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Verena Krippner | |
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