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# taz.de -- Kommentar Italien: Die Polizei, dein Feind und Mörder
> Die italienische Gesellschaft brutalisiert sich weiter. Staat und Vereine
> haben versagt: Sie sind zu lasch gegen die kriminellen Ultras
> vorgegangen.
Um vier Uhr früh noch hatte Gabriele Sandri in einer römischen Diskothek
Platten aufgelegt - sechs Stunden später war der DJ tot. Mit
Hooliganexzessen hat sein Tod nur wenig zu tun - umso mehr aber mit
Italiens Polizei, der die Waffe gelegentlich allzu locker sitzt. Von einem
"tragischen Irrtum" sprach Italiens Innenminister sehr euphemistisch. Denn
schon für das Abfeuern eines Warnschusses lieferte das Geschehen - eine
banale Schlägerei - keinen Anlass, noch weniger aber für den zweiten
Schuss, der direkt in das schon abfahrende Auto einschlug.
"Rückhaltlose Aufklärung" verspricht die Regierung, und Italiens
Polizeichef sagt, man werde sich der "Verantwortung stellen". Zweifel sind
erlaubt. Als Carlo Giuliani im Jahr 2001 während des G-8-Gipfels in Genua
erschossen wurde, entlastete ein Gutachten den verantwortlichen
Carabiniere: Sein Warnschuss sei leider an einem durch die Luft fliegenden
Stein abgeprallt. Und als vor einigen Jahren in Neapel ein Polizist bei
einer Verkehrskontrolle einen 16-Jährigen hinterrücks erschoss, wurde auch
er in zweiter Instanz freigesprochen.
Italiens Hooligans haben indes ihr Urteil schon gesprochen; "Mörder"
skandierten sie in allen Stadien. Mit einer grotesken Fehlreaktion hat der
Staat die Stimmung weiter aufgeheizt, als er die Spiele einfach stattfinden
ließ. Die Eskalation hat damit eine neue Stufe erreicht: Nun steht eine
geeinte Ultra-Front, wie es sie in Italien noch nie gegeben hat, dem Feind
Staat geschlossen gegenüber. Und beide Seiten haben "ihren" Toten: Hass und
Angst wird immer dabei sein, wenn sich in Zukunft Polizei und Hools Auge in
Auge gegenüberstehen.
Gewiss, die Stadien selbst lassen sich sicher machen; viel hat der Staat
auf diesem Feld schon erreicht. Doch das Problem ist damit nicht aus der
Welt - sondern bloß aus dem Stadionrund. Und es steht für das weitgehende
Versagen von Staat und Vereinen: Die kriminellen Ultras wurden kaum in die
Schranken gewiesen, die ganz gewöhnlichen Fans dagegen fühlen sich durch
die von Mal zu Mal verschärften Sicherheitsmaßnahmen in Sippenhaft
genommen. Italien mag Weltmeister sein, doch seinem Fußball droht ein
Überleben als purer Geistersport in leeren Stadien.
12 Nov 2007
## AUTOREN
Michael Braun
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