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# taz.de -- RZA über Ghettosuperhero-Scheiß: "Hiphop ist intellektuell"
> RZA ist Kopf des Wu-Tang Clans, der einflussreichsten Gruppe der
> Hiphop-Geschichte. Heute erscheint das neue Album "8 Diagrams". Ein
> Gespräch über Schach und Benzinpreise.
Bild: RZA - auch als Erwachsener ein cooler HipHopper.
taz: Sie haben unlängst an einem Schachturnier teilgenommen.
RZA: Höhöhö.
Sie haben sogar gewonnen.
(immer noch sehr fröhlich) Da hab ich wohl Glück gehabt.
Oder sind Sie ein so guter Schachspieler?
(lachend) Die anderen waren einfach zu schlecht. Aber ich bin ganz okay.
Vor ein paar Wochen habe ich zwei Partien gegen eine ziemlich gute
Nachwuchsspielerin gespielt und ein Remis erreicht. Die hatte immerhin eine
Elo-Zahl von 1.900. Das ist schon nicht schlecht, mit 2.200 wäre sie
internationaler Meister. Ich hoffe, dass ich mal die 2.000 knacke innerhalb
der nächsten beiden Jahre.
Bei dem Turnier spielten acht Rapper gegeneinander, Sie und Ihr
Wu-Tang-Kollege GZA, aber auch Leute wie der Rapper Paris. Organisiert
wurde es von der Hiphop Chess Federation (HHCF), die mit Schach die Kids
von der Straße holen will.
Genau, deshalb habe ich da mitgemacht. Übrigens bin ich inzwischen Director
of Development der HHCF. Ich glaube, dass Schach eine großartige Sache ist,
um jungen Menschen zu helfen. Mit Schach lernt man Strategie, es verbessert
die Konzentration. Bei der HHCF geht es um Schach, um Hiphop und um Martial
Arts. Diese drei Künste haben viel gemeinsam, aber es gibt auch viele
Vorurteile über sie. Die Leute denken, Schach sei nur was für Nerds.
Dasselbe gilt für Hiphop: Das soll nur was für großmäulige Hooligans sein.
Aber Hiphop ist auch intellektuell. Gegen diese Vorurteile will ich was
tun.
GZA hat den Wu-Tang Clan mal mit einem Schachspiel und die Rapper mit den
einzelnen Figuren verglichen. Welche Figur sind Sie?
Ich bin der Spieler, der die Figuren hin- und herschiebt. (lacht schon
wieder)
Der Wu-Tang Clan ist eine Diktatur?
Ich bezeichne das als George-Bush-Demokratie. (lacht begeistert)
Sie aber unterstützen den Wahlkampf von Hillary Clinton.
Ich bin überhaupt nicht politisch. Aber als die Clintons an der Macht
waren, ging es meinen Leuten besser. Sie waren nicht reich, aber es gab
genug zu essen, sie hatten alles, was sie brauchten. Heute heißt es, der
amerikanischen Wirtschaft geht es gut. Wo denn, bitte schön? Der kanadische
Dollar ist mittlerweile mehr wert als der amerikanische. Als Clinton
Präsident war, war der kanadische Dollar gerade mal 60 US-Cent wert. So
sehe ich das, streng auf ökonomischer Basis: Was kommt in den Projects an?
In den Neighborhoods hungern die Leute, die Gewalt wird immer schlimmer und
die Umweltverschmutzung auch. Und es gibt immer mehr Babys, weil die Leute
nichts zu tun haben, als zu ficken. Da geht es ab. Wie kann es sein, dass
wir in den Irak einmarschieren, das ganze Öl da übernehmen und dann die
Benzinpreise steigen?
Leben Sie noch selbst in Ihrer alten Neighborhood Staten Island, auf
Shaolin Island, wie der Wu-Tang Clan es taufte?
Nein, ich lebe in Kalifornien. Aber meine Schwester lebt noch dort und
viele Cousinen. Ich kümmere mich um die, aber meine Familie ist so groß,
ich kann die nicht alle durchbringen. In diesem Land gibt es kein
Sozialsystem, das den Namen verdient, aber dafür eine Rechtsprechung, die
vor allem dazu dient, Nachschub für die Gefängnisse zu liefern, denn die
sind inzwischen privatisiert. Einer meiner Brüder ist seit vier Jahren im
Knast, weil ein Taxifahrer behauptet, er hätte ihn beraubt. Es ging um 300
Dollar, dabei hatte er eine Kette um den Hals, die allein schon 3.000
Dollar wert war. Beim Prozess waren es dann nur noch 100 Dollar und mein
Bruder hatte keine Vorstrafen, aber er kriegt eben nicht mal Bewährung,
sondern geht in den Knast. Vier Jahre Gefängnis, das kostet den
Steuerzahler eine Menge Geld, die jemand anderes verdient. Da wird wirklich
Geld gemacht.
Staten Island spielte in der Mythologie, die den Wu-Tang Clan umgab, immer
eine große Rolle. Ist das denn immer noch der Wu-Tang Clan, wenn alle
verstreut in den USA leben, in Städten wie Los Angeles so wie Sie?
Wie heißt es im "Dschungelbuch"? Man kann den Jungen aus dem Dschungel
holen, aber man kann nicht den Dschungel aus dem Jungen rausholen. Außerdem
bin ich für die Aufnahmen zurück nach New York gezogen. Ich hatte mein
Apartment zwar in Manhattan, aber ich bin viel durch Staten Island
gelaufen, habe dort übernachtet, um den alten Geist wieder zu spüren. Nur
um sicherzugehen. Das war und ist eine großartige Kultur. Und in der bin
ich aufgewachsen.
Verfährt der Wu-Tang Clan immer noch nach Fünfjahresplänen, die Sie
entwerfen?
Ja, ich habe so etwas immer im Kopf. Momentan sind wir im dritten Jahr des
aktuellen Fünfjahresplans. Aber diesmal verrate ich das Ziel nicht, weil zu
viel Gerede nur kontraproduktiv wäre.
Der Wu-Tang Clan hat sich immer sehr für Filme interessiert, Sie waren auch
immer sehr geschäftstüchtig. Warum haben Sie nie Filme produziert? Andere
Rapper machen das auch, Snoop Dogg etwa.
Mach ich doch. Ich hab drei Filme produziert. Die liegen bei mir zu Hause
rum. Die richtige Gelegenheit, sie herauszubringen, ist noch nicht
gekommen.
Kein Mensch macht Filme und bringt sie nicht raus, das kostet doch Geld!
Ich hab eine Menge Geld ausgegeben. Und ich habe eine Menge Geld verloren.
Ich meine: nicht richtig verloren, die Filme sind ja noch da. Zwei "Bobby
Digital"-Filme und ein Kung-Fu-Film.
Wie kann man sich die Filme vorstellen?
Bobby Digital ist eines meiner Pseudonyme. Es geht um mich als Superheld
mit zwei Pistolen - ich kann mich mit einer Maske unsichtbar machen und
tauche immer auf, um irgendwelchen Typen in den Arsch zu treten. (lacht)
Ghettosuperhero-Scheiß. Es gibt eine tollen Szene mit Ol Dirty Bastard.
Allein dafür waren es die zehn Dollar wert. Alle anderen sind auch dabei.
Method Man, Ghostface Killah. Hat aber noch niemand gesehen.
Und was machen Sie jetzt?
Ich warte, bis Bobby Digital als Schauspieler berühmt ist. Ich kann noch
mal fünf Jahre warten.
Ist das dann der nächste Fünfjahresplan? Die Filmindustrie übernehmen?
Nein. Aber Synergien zwischen Musik und Film herstellen.
Als Sie in den mittleren Neunzigern den ersten Fünfjahresplan ausgearbeitet
haben, sah die Musikindustrie noch anders aus. Tonträger verkaufen sich
heute nicht mehr
Das wage ich zu bezweifeln. Nimm Rapper wie Kanye West und 50 Cent. Die
haben im Sommer zusammen 1,5 Millionen Alben in der ersten Woche verkauft.
Aber die Verkäufe gehen zurück. Das ist ein Fakt.
Die Verkäufe gehen zurück. Weil die Leute auch sonst nichts kaufen.
Trotzdem hat Kanye 900.000 Alben losgekriegt.
Also gibt es ein Qualitätsproblem.
Klar. Ein Qualitätsproblem und ein Identitätsproblem. Was willst du haben?
Einen Typen, der nur hämmanähämmana macht (macht den Südstaaten-Rapstil
nach)? Das ist okay, wenn man im Club ist. Aber nicht zu Hause. Die Leute
passen auf, wofür sie ihre 15 Dollar ausgeben. Außerdem gibt es zu viele
Autos, als dass die Musikindustrie kaputtgehen könnte.
Zu viele Autos?
Mann, du brauchst eine CD in deinem Scheiß-Auto! Klar, es gibt auch diese
Halterungen für iPods. Aber es kaufen keine 20 Millionen Leute ein neues
Auto im Jahr. Es gibt hunderte von Millionen Autos mit CD-Player.
Sie sagen, es gibt ein Qualitätsproblem. Wie könnte denn ein Fünfjahresplan
für Hiphop aussehen?
Ich bin nicht der einzige Hiphop-Künstler der Welt. Ich kann nur für mich
sprechen, über meinen Teil. Ich glaube, dass unser Album eine Möglichkeit
ist, Hiphop wieder in die Spur zu bringen. Bevor das erste Wu-Tang-Album
rauskam, hätten die Plattenfirmen so Typen wie uns überhaupt nicht ins
Gebäude gelassen. Kriminelle von der Straße, Schulabbrecher, Vorbestrafte!
Unser Erfolg hat Hardcore-Rappern die Möglichkeit eröffnet, von ihrer Kunst
zu leben. Biggie Smalls etwa. Auch 50 Cent ist eine späte Folge dieser
Entwicklung. Wenn eine Platte erfolgreich ist, wird die Industrie
aufmerksam. So funktioniert das. Sollten die Leute unsere Platte kaufen,
werden die Dinge im Hiphop wieder in Balance kommen. Alle wollen heute
klingen, als kämen sie aus dem Süden. In New York laufen Typen rum, die
hören sich an, als kämen sie aus dem Süden. Dabei sind die aus Harlem!
Mittlerweile ist ja die zweite oder dritte Generation von Hörern da, die
mit Hiphop älter geworden sind. Ist für Sie ein Hardcore-Hiphop denkbar,
der diesen Reifeprozess abbildet? Auch der Wu-Tang Clan besteht ja nicht
mehr aus Kriminellen von der Straße.
Ja, dieses Album ist ein bisschen reifer. (lacht) Sagen mir Leute. (lacht)
Es ist aber auch ziemlich rau. Textmäßig gesehen. (lacht)
Kann man im Hiphop in Würde altern? Im Rock ist das ja nicht so einfach
Die Rockmusiker machen das doch gut: die Rolling Stones sind gerade um die
Welt getourt und haben 100 Millionen Dollar gemacht. Nein, ich sehe das so:
Wenn man in den Siebzigern aufgewachsen ist, dann gab es Filme wie "Shaft"
oder "Superfly", deren Helden waren erwachsene Männer, und die Kids wollten
so sein wie die. Das muss Hiphop schaffen. Möglichkeiten im Hiphop, ein
cooler Erwachsener zu sein. Und ich finde, der Wu-Tang Clan ist da
vorbildlich! Schau uns an (lacht). Glaubst du, Raekwon oder Ghostface
Killah sind Mitte dreißig? Oder Method Man? Der sitzt immer noch jeden Tag
vier Stunden vor seiner Playstation! Und von denen mal abgesehen: Ich mit
meiner Person gebe auch ein gutes Beispiel ab. Im a cool motherfucker.
(lacht) Ich gehe in irgendeinen Laden und alle Leute sagen: Mann, schau dir
den coolen Motherfucker an. (lacht) Warum soll man aufhören, etwas zu
lieben, was immer gut zu einem war? Wer will mir sagen, ich sei zu alt für
Hiphop? Es ist Musik. Wir sind nicht zu alt für Hiphop. Ich bin nur zu alt
für die Ying Yang Twins. (lacht) Ich bin aber nicht zu alt für den Wu-Tang
Clan.
INTERVIEW: THOMAS WINKLER & TOBIAS RAPP
6 Dec 2007
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HipHop
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