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# taz.de -- Bilanz zur Chancengleichheit für Frauen: Vernebelte Bilanzen
> Die neue Bilanz zur Chancengleichheit für Frauen in der Wirtschaft zeigt:
> In Führungspositionen und beim Geld hat sich nichts geändert. Feste
> Regeln will die Regierung trotzdem keine.
Bild: Kind und Topjob? Diese Frage beantwortet die deutsche Politik nicht.
Der "konservative Feminismus", den Familienministerin Ursula von der Leyen
(CDU) für sich reklamiert, endet exakt vor den Toren der Wirtschaft. Dort
haben sich die Chancen der Frauen in den letzten sieben Jahren kaum
verändert. Das zeigt die 3. Bilanz zur Chancengleichheit in der Wirtschaft,
die das Bundesfamilienministerium jetzt vorlegt. Die Untersuchung zeigt,
dass sich weder die Einkommenslücke von 22 Prozent in den letzten Jahren
nennenswert verändert hat, noch mehr Frauen in Führungspositionen sind. In
Großunternehmen ist ihr Anteil sogar zurückgegangen, von 7,5 auf 5,9
Prozent. Dennoch spricht das Ministerium von "Fortschritten".
Die Bilanzierungen gibt es seit 2001. Damals beschloss die Regierung
Schröder statt eines Gleichstellungsgesetzes für die Wirtschaft lediglich
eine "freiwillige Vereinbarung". Nur wenn die keine Früchte trage, müssten
gesetzliche Regelungen her, hieß es. Im aktuellen Koalitionsvertrag wurde
das noch einmal bekräftigt. Da aber keine klaren Kriterien festgelegt
wurden, lässt sich die Entwicklung nun nach Gusto beurteilen. Die Bilanzen,
stellt deshalb der Deutsche Gewerkschaftsbund fest, seien "kein adäquater
Gradmesser für die tatsächliche Chancengleichheit in den Betrieben".
Der DGB ließ das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut WSI in
einer Betriebsrätebefragung eigene Daten erheben. Bei Firmen mit
Betriebsräten sind etwa 60 Prozent aller Beschäftigen angestellt. Die
aktuelle, noch unveröffentlichte Befragung zeigt: Nur 12 Prozent dieser
Firmen haben eine Vereinbarung zum Thema Chancengleichheit geschlossen.
Eine Steigerung auf niedrigem Niveau: 2003 waren es 4 Prozent. "Trotz
werbender Maßnahmen der Bundesregierung ist das Thema in den Betrieben
überwiegend noch nicht angekommen," sagt WSI-Expertin Christina Klenner der
taz.
Die Bundesregierung indes macht das Beste daraus: Immerhin zeige sich an
anderer Stelle Ermutigendes, heißt es in der Bilanz: "So bieten 95 Prozent
der Betriebe ihren Beschäftigten familienfreundliche Maßnahmen an." Die
WSI-Erhebung aber zeigt, dass diese Modelle oft nicht verbindlich sind,
weniger als 10 Prozent der befragten Firmen hatten sie in Vereinbarungen
fixiert. Damit seien meist Teilzeitmodelle für Mütter gemeint, die dann von
weiteren Karrieren ausgeschlossen sind, bemängelt der DGB. Deshalb sind in
Deutschland europaweit mit großem Abstand die wenigsten Mütter in
Führungspositionen: Nur 42,8 Prozent der Chefinnen haben Kinder, im
EU-Schnitt sind es fast 60 Prozent, an der Spitze liegt Litauen liegt mit
79 Prozent.
Unzureichend ist auch die Zahl der Frauen, die ein karriereträchtiges
naturwissenschaftliches Studium absolvieren. Zwar betont die Bilanz, dass
die Zahl der Studienanfängerinnen bei Elektrotechnik und Maschinenbau
leicht gestiegen sei. Doch bei den Ausbildungsberufen hat sich wenig getan.
Merkwürdig ist auch, dass die Berufsberatung der Arbeitsagenturen gepriesen
wird. In den letzten Jahren hatten Studien gezeigt, dass die
BerufsberaterInnen Mädchen ganz besonders hartnäckig in typische
Frauenberufe drängen.
Die Bilanz zählt als gute Beispiele vor allem Einzelaktivitäten wie
Mentoringprogramme und Zertifikate auf. Dazwischen gestreut sind nur wenige
Vergleichszahlen. "80 Prozent dieser Bilanz sind Nebelkerzen", meint
Claudia Menne.
Auf jeden Fall stellen Regierung und Wirtschaft klar, "dass es auch weiter
keiner gesetzlichen Regelungen zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern
im Erwerbsleben bedarf." Eine Meinung, die nicht von allen geteilt wird:
"Die freiwillige Vereinbarung ist gescheitert", sagt Irmingard
Schewe-Gerigk, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag.
"Wenn Frau von der Leyen jetzt nicht endlich ihre frauenpolitische
Untätigkeit ab- und ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft
vorlegt, hat sie ihren Job als Frauenministerin verfehlt." Die Linkspartei
hat gar ein eigenes Gleichstellungsgesetz entwickelt, nach dem nur noch
Firmen mit Gleichstellungsplan öffentliche Aufträge erhalten sollen. Und
sogar Koalitionspartnerin SPD reagiert scharf: Ursula von der Leyen sei
gleichstellungspolitisch "eine glatte Fehlbesetzung", erklärte
SPD-Vizefraktionschefin Elke Ferner.
19 Jun 2008
## AUTOREN
Heide Oestreich
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