# taz.de -- Drohende Hungersnot: Brachland Simbabwe | |
> Die Preise für Saatgut werden von Korruption hochgetrieben. Das Land | |
> steht vor einer historischen Hungersnot. | |
Bild: Wer in Simbabwe nicht verhungern will, muss überall nach Nahrung suchen. | |
HARARE taz Vor exakt einem Jahr noch hatte Gilbert Jokonya auf seiner Farm | |
im Distrikt Mazoe 30 Hektar Mais und andere Nutzpflanzen gesetzt. Heute ist | |
die Situation eine gänzlich andere: Er sucht verzweifelt nach Saatgut und | |
einem Traktor. | |
Die Lage des Bauern Jokonya ist typisch für seine Kollegen in Simbabwe. Und | |
das ist ein Warnzeichen dafür, dass das Land vor der schlimmsten Hungersnot | |
seiner Geschichte stehen könnte. Am Montag gab das | |
UN-Welternährungsprogramm WFP bekannt, dass die Hälfte der simbabwischen | |
Bevölkerung - 5,5 Millionen Menschen - akut von Hunger bedroht und auf | |
Nahrungsmittelhilfe angewiesen sei. Hinzu kommt die verheerende und noch | |
nicht eingedämmte Choleraepidemie, die bereits über 1.100 Tote gefordert | |
hat. Hunger und Seuchen zusammen schwächen die Menschen so, dass die | |
Sterbefälle rapide steigen. | |
Schon jetzt ist der Hunger in Simbabwe allgegenwärtig. Zwei Millionen | |
Tonnen Lebensmittel braucht Simbabwe im Jahr. 600.000 Tonnen ernteten die | |
Bauern dieses Jahr. | |
"Ich kriege nichts, was ich brauche", sagt Bauer Jokonya. "Traktoren zu | |
mieten ist zu teuer, weil die Besitzer in Devisen bezahlt werden wollen. | |
Auch für Saatgut, Benzin und Düngemittel brauche ich ausländische Währung, | |
und die habe ich nicht. Also habe ich noch nichts pflanzen können. Und wenn | |
überhaupt, wird es weniger sein als vor einem Jahr." | |
Die Enttäuschung ist groß unter den vielen schwarzen Bauern, die von der | |
Regierung seit dem Jahr 2000 auf dem Land enteigneter weißer Farmen | |
angesiedelt wurden. Sie hatten sich in den letzten Jahren daran gewöhnt, | |
dass der Staat ihnen alles gibt, was sie für Landwirtschaft brauchen: | |
Saatgut, Chemikalien, Treibstoffe. Aber dieses Jahr wurden die staatlichen | |
Vorräte nicht wie sonst üblich zu unterschiedlichen Zeiten verteilt, | |
sondern gelagert und im November dann auf einmal an alle ausgegeben. | |
Das sollte verhindern, dass die Bauern ihre Zuteilungen verkaufen, statt | |
sie zu benutzen, wie dies auch in vergangenen Jahren oft der Fall gewesen | |
war. Aber stattdessen haben viele dieses Jahr überhaupt nichts bekommen - | |
weil die Logistik für eine effiziente Verteilung fehlte, und oft auch wegen | |
Korruption, beklagen die Bauern. | |
In Mazoe, einem der fruchtbarsten Gebiete Simbabwes, sind viele Felder | |
jetzt noch nicht einmal gepflügt, und die Saison ist schon halb vorbei. "Es | |
wird hart", sagt Jokonyas Nachbar Peter Mhlanga. "Bald werden wir nichts zu | |
essen haben." Er meint, dass hohe Regierungsbeamte die Zuteilungen für | |
Bauern veruntreut haben und sie nun auf dem Schwarzmarkt gegen Devisen | |
verhökern. Denn tatsächlich gibt es die Güter zu kaufen - aber nur zu | |
Wucherpreisen in ausländischer Währung. "Erst stehlen sie alles und dann | |
werden sie uns bald beschuldigen, nichts anzubauen", sagt Mhlanga und | |
spuckt auf den Boden. | |
Korruption ist in Simbabwe ein massives Problem. Die Zentralbank schätzt, | |
dass jeden Monat Gold und Diamanten im Wert von 1,2 Milliarden Dollar außer | |
Landes geschmuggelt werden, mehr als der gesamte Importbedarf des Landes. | |
Unter anderem deswegen hat Südafrika eine Finanzhilfe von 300 Millionen | |
Rand (30 Millionen Dollar) für Simbabwes Agrarsektor zurückgezogen. | |
Südafrikas Regierung will, dass die vereinbarte, aber nie verwirklichte | |
Regierung der Nationalen Einheit zwischen Präsident Robert Mugabe und | |
Oppositionsführer Morgan Tsvangirai eingesetzt wird - woran kaum jemand | |
glaubt. | |
Die Regierung gab lange Zeit nicht zu, dass es ein Problem mit der nächsten | |
Ernte geben könnte. Erst im Oktober gestand sie ein, dass es an Saatgut | |
mangele, und erlaubte die Einfuhr dafür ohne Importlizenz. "Wir lockern die | |
Regel, damit besonders Maissaat, Schädlingsbekämpfungsmittel und Dünger | |
importiert werden können", hatte Agrarminister Rugare Gumbo gesagt. Aber | |
ohne Geld nützen den Bauern diese Neuregelungen nichts. | |
Dazu kommt, dass bisher der Regen eher schwach ausfällt. Peter Mhlanga hat | |
bereits seine zwei Kühe verkauft, um Geld für Saatgut zu bekommen, aber er | |
glaubt nicht, dass er irgendetwas daran verdienen wird. "Wenn dies ein | |
Fluch Gottes sein soll", sagt er, "wird nächstes Jahr niemand in Simbabwe | |
überleben." | |
24 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Jordan Pili | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Debatte Staatszerfall in Afrika: Institutionen statt Diktatoren | |
Guinea, Simbabwe: Vielen afrikanischen Staatswesen droht Zerfall - denn | |
jenseits der alten Führer fehlen Strukturen. Doch das postkoloniale | |
Freiheitsideal ist noch zu retten. |