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# taz.de -- Proteste gegen den Haftbefehl aus Den Haag: "Neokolonialistischer P…
> In Khartum gehen Tausende gegen die Entscheidung von Den Haag auf die
> Straße. Die Angst, dass al-Bashir jetzt wieder Krieg schürt, ist groß.
Bild: Demonstration in Khartum gegen den Haftbefehl des Internationalen Gericht…
NAIROBI taz Der internationale Haftbefehl gegen Sudans Präsident Omar
al-Bashir war erst Minuten alt, da wies ein Vertrauter al-Bashirs, Mustafa
Osman Ismail, die Entscheidung prompt als Teil eines "neokolonialistischen
Plans" ab. "Der Internationale Strafgerichtshof ist ein Mechanismus des
Westens, um freie und unabhängige Länder zu unterdrücken", so Ismail. "Die
wollen offenbar nicht, dass die Lage im Sudan sich stabilisiert." Ägypten,
ein Verbündeter Sudans, rief den UN-Sicherheitsrat auf, den Haftbefehl
umgehend auszusetzen.
Währenddessen sammelten sich bereits tausende Demonstranten in den Straßen
von Khartum. "Ocampo ist ein Esel", hieß es auf Transparenten gegen Den
Haags Chefankläger. In Sprechchören kündigten Demonstranten an, al-Bashir
mit Seele und Blut zu verteidigen. An Drohungen hatte es schon im Vorfeld
nicht gefehlt. Rebellen der in Darfur kämpfenden "Bewegung für Gleichheit
und Gerechtigkeit" (JEM) warnten, Sudans Regierung habe ihre Volksmiliz
mobilisiert, um über Ausländer und Liberale herzufallen.
Sudans Regierung weist das weit von sich und versichert, man tue alles, um
für die Sicherheit von Ausländern und UN-Angestellten zu sorgen. Doch die
zeitgleich veröffentlichte Warnung, man könne vermutlich nicht all jenen
Herr werden, die ihrer Wut Luft machen wollen, klingt an sich schon wie
eine Drohung. Deutlicher wird Salah Abdallah Gosh, Chef des sudanesischen
Geheimdienstes: "Wir waren islamische Extremisten, dann sind wir moderat
und zivilisiert geworden, aber wenn es nötig wird, machen wir das
rückgängig. Nichts ist leichter als das", so Gosh.
Die Stimmung unter Ausländern in Khartum ist seit Tagen angespannt. Als
besonders gefährdet gelten Vertreter der UNO, die 26.000 Blauhelmsoldaten
im Südsudan und in Darfur stationiert hat. Man sei auf alles vorbereitet,
sagte ihr Sprecher Noureddine Mezni, aber "wir werden unsere täglichen
Aufgaben erfüllen und unsere Präsenz in den Vertriebenenlagern erhöhen".
Doch in Darfur, wo seit sechs Jahren gekämpft wird und wo Millionen unter
erbärmlichen Bedingungen in Lagern leben, ist schon lange nichts mehr
normal. In im Internet veröffentlichten Videos, die al-Bashirs Regierung
freilich als Fälschung abtut, beschreiben Mitglieder regierungstreuer
Janjaweed-Milizen, wie sie von Khartum aus dirigiert werden. So berichtet
ein Janjaweed-Kommandeur namens Suleiman, al-Bashirs Vize Ali Osman Taha
sei persönlich in der Stadt El Fasher in Darfur gewesen. "Ich gebe euch
Waffen, Uniformen, Geld und Kamele, hat er gesagt", erklärt der Kommandeur.
"Dann sagte er: Wir wollen nur das Land, die Menschen darauf müssen
verschwinden." Immer wieder beklagen die Milizen, die für viele
Kriegverbrechen verantwortlich gemacht werden, sich darüber, dass Khartum
sie nicht wie vereinbart bezahlt. In El Fasher plünderten Soldaten der
staatlichen Armee vor einigen Tagen einen Markt und schossen wild um sich.
"Wir wollen endlich bezahlt werden", rief die wütende Truppe.
In diesem Chaos geben sich die Rebellen, gegen die der Internationale
Strafgerichtshof ebenfalls ermittelt, weltmännisch. "Wir werden selbst eng
mit dem Strafgerichtshof zusammenarbeiten", sagt etwa Tag al-Din Bashir,
ein Anführer der "Vereinten Widerstandsfront". Der Chef der "Sudanesischen
Befreiungsbewegung", Abdelwahid al-Nur, fordert sogar eine große Koalition.
Da klingt es ehrlicher, dass die JEM androht, al-Bashir notfalls mit Gewalt
an den Strafgerichtshof auszuliefern. Nicht nur in Darfur könnten die
Fronten deutlich verhärten. Die UNO warnt davor, dass vom Sudan
ausgerüstete tschadische Rebellen sich an der Grenze zum westlichen
Nachbarland sammeln. Die Befürchtung ist groß, dass sie auf einen
Rachefeldzug geschickt werden. Auch im Südsudan, wo al-Bashir seit Monaten
Milizen ausrüstet, die im Vorfeld geplanter Wahlen gegen die dort als
Autonomieregierung regierende einstige Guerillabewegung SPLA (Sudanesische
Volksbefreiungsarmee) kämpfen sollen, ist die Anspannung groß. Während sich
SPLA-Chef Salva Kiir formal auf die Seite al-Bashirs stellt, glauben viele,
dass Khartum den Notstand ausrufen und den Endkampf um die lukrativen
Ölquellen beginnen könnte.
Al-Bashir muss unterdessen um Unterstützung aus den eigenen Reihen
fürchten. Während der einstige Verbündete und Islamistenführer Hassan
al-Turabi sich als wortstarker Oppositionsführer anpreist, gibt es
innerhalb der Regierungspartei einige, die al-Bashir am liebsten loswerden
würden. Neben Geheimdienstchef Gosh gehört auch al-Bashirs Berater Nafi Ali
Nafi zum Führungszirkel, der das Gegengewicht zu al-Bashir bildet. Über
eine Palastrevolution, die die herrschende Elite ohne den Präsidenten an
der Macht halten würde, wird in Khartum schon seit Monaten gemunkelt.
4 Mar 2009
## AUTOREN
Marc Engelhardt
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