# taz.de -- Interview Gesamtschulen in NRW: "Die FDP ist weiter als die CDU" | |
> Udo Beckmann, Chef des Verbandes Bildung und Erziehung, spricht über | |
> Gesamtschulen, längeres gemeinsames Lernen und schwarz-gelbe Fehler vor | |
> der NRW-Wahl. | |
Bild: Udo Beckmann ist Bundesvorsitzender und seit 1996 NRW-Landeschef der Lehr… | |
taz: Herr Beckmann, in NRW werden im Jahr 14.000 Eltern, die ihr Kind an | |
eine Gesamtschule schicken wollen, zurückgewiesen. Woran liegt das? | |
Udo Beckmann: Wir beobachten bei den Eltern seit Jahren ein verändertes | |
Wahlverhalten. Sie haben erkannt, dass ihre Kinder einen höheren Abschluss | |
benötigen, wenn sie den sozialen Status der Eltern halten möchten. Ihre | |
Wahl fällt dann eben auf die Gesamtschulen und die Gymnasien. Und seit | |
Einführung des achtjährigen Gymnasiums wollen Eltern ihren Kindern oft mehr | |
Zeit geben, das Abitur zu erreichen. | |
Ist die Forderung der Landesregierung, ein Drittel der Kinder an einer | |
Gesamtschule müsse eine Gymnasialempfehlung haben, dann nicht | |
gerechtfertigt, um eine Durchmischung zu gewährleisten? | |
Die Eindrittelregelung ist eigentlich eine Regelung, um Neugründungen von | |
Gesamtschulen zu erschweren. Wir wissen, dass die Empfehlungen durch die | |
Grundschullehrer immer auf Schulen vor Ort zielgerichtet sind, das sind | |
keine grundsätzlichen Empfehlungen. Wir wissen auch, dass sich viele Kinder | |
später weiterentwickeln. Die Festlegung halte ich nicht für sinnvoll. Und | |
für die faktische Setzung von einem Drittel gibt es keine rechtliche | |
Grundlage. | |
Halten Sie die Entscheidung, dass die Lehrer die Empfehlung für die | |
weiterführende Schule ausstellen, für besser? | |
Ich glaube, wir müssen durch längeres gemeinsames Lernen den Zeitpunkt, an | |
dem über eine Bildungslaufbahn entschieden wird, hinausschieben. Die | |
Entscheidung sollte dann von Lehrern und Eltern in Beratungen gemeinsam | |
getroffen werden. | |
Das heißt, die Lehrer wollen diese Entscheidung gar nicht allein treffen? | |
Viele Grundschullehrer wollen diese Entscheidung nicht treffen, weil sie | |
viel zu früh ist. Es gibt inzwischen eine Initiative von 1.000 | |
Grundschulleitern, die längeres gemeinsames Lernen wollen. Und denen sollte | |
man das wirklich abnehmen, sie haben die heterogenste Schulform überhaupt. | |
Was halten Sie denn vom FDP-Vorschlag einer "regionalen Mittelschule"? | |
Die ist aus meiner Sicht eine halbherzige Entwicklung in Richtung längeren | |
gemeinsamen Lernens. Das hängt mit kontroversen Diskussionen innerhalb der | |
FDP zusammen, aber Andreas Pinkwart ist inzwischen schon wieder | |
zurückgepfiffen worden. Die FDP ist ein Stückchen weiter als die CDU, die | |
nach außen immer noch reklamiert, keine Einheitsschule haben zu wollen. | |
Auf kommunaler Ebene gibt es aber schon Unionspolitiker, die die | |
Gemeinschaftsschule wollen. Wie wichtig sind die Kommunen? | |
Die Landesregierung sagt zwar immer, dass sie den Kommunen | |
Eigenverantwortlichkeit übergeben will, aber in dieser Frage tut sie das | |
nicht. In den Gemeinden Horstmar und Schöppingen hat sie einen | |
Modellversuch einer Gemeinschaftsschule verhindert, obwohl es ein fertiges | |
und tragfähiges Konzept gab. | |
29 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Frauke Böger | |
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