# taz.de -- Heiligsprechung: Meyer-Werft wird Wallfahrtsort | |
> Die Kreuzfahrtschiffe der Meyer-Werft sind zu groß für die Ems. Deswegen | |
> wird der Fluss seit Jahrzehnten den Wünschen der Werft angepasst. Jetzt | |
> hat die Werft sogar einen Radwanderweg bekommen - finanziert aus | |
> öffentlichen Geldern. Nicht alle sind davon begeistert. | |
Bild: Leitsystem: Kreuzfahrtweg mit Schiffs-Silhouetten. | |
"Es hat nicht geregnet!" Sagt die Lokalzeitung. Gelogen. Für die | |
Papenburger Meyer-Werft wird sogar das Wetter gebotoxt. Die Topmeldung der | |
Ostfriesen Zeitung passt zur Euphorie, mit der im Emsland ein neuer Radweg | |
gefeiert wird, der nur dem einen Ziel dient: die Überführung von | |
Kreuzfahrtschiffen der Meyer-Werft ganzjährig erlebbar zu machen. | |
Sonntag, 9 Uhr. 70 EröffnungsradlerInnen frieren an der Dockschleuse in | |
Papenburg. Die Hälfte zittert im Dienste der Stadtverwaltung. Die Wolken | |
hängen tief. Hin und wieder Nieselregen. Später schüttet es. Papenburgs | |
Bürgermeister Jan Peter Bechtluf (CDU) hält eine Rede: "Kreuzfahrtschiffe | |
kommen nur dreimal im Jahr durch die Ems. Wir wollen, dass Sie dieses | |
Erlebnis das ganze Jahr über haben." Das isses -jeden Tag Weihnachten. | |
Was der Bürgermeister sagen will: Wenn Meyers Kreuzfahrtschiffe von | |
Papenburg durch die Ems zur Nordsee geschubst werden, wollen das tausende | |
Besucher illegal auf den Deichen der Ems miterleben. 2009 verzeichnete die | |
Papenburger Tourismus GmbH rund 100.000 Besucher in dem von ihr gemanagten | |
Besucherzentrum auf der Meyer-Werft. | |
All diese schönen Gäste reisen aber gleich wieder ab, und genau da setzt | |
der neue Radweg an, der auf den schönen Namen "Kreuzfahrtweg" hört. Nicht | |
alle sind damit glücklich, dass die Stadt Papenburg und die ostfriesischen | |
Fremdenverkehrsverbände den alten Radwanderweg zum Meyer-Weg umfunktioniert | |
haben. Widerstand kommt etwa von der Bürgerinitiative "Rettet die Ems". | |
"Sicher ist der Kreuzfahrtweg politisch beladen, aber es gibt diese | |
touristische Komponente", formuliert Heike Brunken-Winkler. Sie ist | |
Projektleiterin des Kreuzfahrtweges. | |
Von Stukenbrock bei Bielefeld, dem Quellgebiet der Ems, bis Papenburg ist | |
der Fluss ein sanft vor sich hin mäanderndes Idyll. Flussstrände, | |
Sandbänke, Auenwäldchen. Nur die Einleitungen der Landwirtschaft stören, | |
und das Atomkraftwerk Lingen, an dem der Fluss angenehm warm | |
dahinschlängelt. Das Bild ändert sich schlagartig ab Papenburg. Ab da ist | |
der Fluss als Bundeswasserstraße ausgebaut. Von einem "Meyerkanal" spricht | |
die Bürgerinitiative "Rettet die Ems". | |
Ab Papenburg will der neue Kreuzfahrtweg die Strecke touristisch | |
"schärfen", wie es heißt. Die EU gibt Geld, anliegende Kommunen müssen dazu | |
zahlen. 50.000 Euro habe der "Meyerweg" bislang gekostet, heißt es aus dem | |
Papenburger Rathaus. Der Bürgermeister von Leer, Wolfgang Kellner, soll | |
angesichts der Projektplanung vor Wut geschäumt haben. Extra für Meyer | |
wurde die gerade sanierte Jan-Berghaus-Brücke in Leer erweitert. Das | |
kostete Millionen. Es kam zu "Bauschwierigkeiten". Die Brücke war fast ein | |
Jahr gesperrt. Wegen der Bauten an der Ems für die Meyer-Werft ist der | |
Leeraner Hafen sowieso nur noch eingeschränkt nutzbar. | |
Die zehn "Erlebnisstationen" des neuen Radweges "Kreuzfahrt" sind nicht | |
leicht zu finden - es gab Probleme bei der Standortfreigabe der Stationen, | |
zum Beispiel mit den Küstenschützern der Deichverbände. Die sahen die | |
Deichsicherheit gefährdet. Außerdem war das Leitsystem der Route, bestehend | |
aus 30 Silhouetten der bisher auf der Werft gefertigten Kreuzfahrtschiffe, | |
schon am Eröffnungstag lückenhaft. Irgendjemand muss das Mantra von | |
Werftenchef Meyer ("Wir müssen flexibel sein") falsch verstanden haben. | |
Eine flexible Eingreiftruppe hatte einige Stelen abgesägt. Der Staatsschutz | |
ermittelt. "Naturschützer" sollen der Meyer-Werft Gewalt angetan haben, | |
vermutet die Ostfriesen Zeitung. | |
Die erste Station steht vor der Kulisse der gewaltigen Trockendocks der | |
Meyer-Werft, doch keine Station sagt wirklich etwas zum Schlick. Die Ems | |
wurde mehrfach für die Meyer-Überführungen ausgebaggert. Dadurch erhöhte | |
sich die Fließgeschwindigkeit. Erst vor ein paar Wochen spülte das Wasser | |
vor dem Emssperrwerk bei Gandersum ein riesiges Loch aus. Ein | |
tonnenschwerer Pfeiler am Eingang der Sperrwerksdurchfahrt verschwand | |
darin. Deiche drohen unterspült zu werden. Die Flut transportiert Millionen | |
Kubikmeter Schlick ins Binnenland. | |
"Unsere Häuser zerreißen wegen der Ausbaggerungen", sagt Elfi Oorlog aus | |
Mitling Mark an der Ems. Von der Decke bis ins Fundament klafft ein zugiger | |
Riss in ihrem Wohnzimmer. "Der Werfttourismus ist Leichenbeschau an der | |
Ems", meint Willi Ostendorp aus Westoverledingen. Weil das Schlickproblem | |
zu bedrohlich wird und nicht mehr zu managen ist, haben WWF, Bund und Nabu | |
vorgeschlagen, einen Kanal von Papenburg oder Dörpen bis nach Emden zu | |
bauen, um so die Meyer-Schiffe ans Meer zu bringen. | |
"Die Verbände haben uns mit dem Kanalvorschlag auf gut Deutsch vor die | |
Kommode geschissen", schimpft Frau Oorlog. Die Aktivisten vor Ort fordern, | |
die Werft nach Emden zu verlagern. Das wollte sogar der ehemalige | |
Ministerpräsident Gerhard Schröder. Meyer ließ den Basta-Mann abklatschen | |
und die Werft in Papenburg ausbauen. | |
Zur Zeit wird die Ems für die Schiffsüberführungen nicht nur ausgebaggert, | |
sie wird auch aufgestaut. Dabei ertrinken flugunfähige Jungvögel in den | |
überschwemmten Deichvorländern. Allerdings hat der Landkreis Leer der | |
Meyer-Werft verboten, während der Schiffsüberführungen "Time to say good | |
bye" aus allen Lautsprechern der Vergnügungsschiffe zu dudeln. Begründung: | |
Die Vögel im Naturschutzgebiet der Vordeiche würden gestört. | |
29 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Thomas Schumacher | |
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