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# taz.de -- Richtungsstreit bei der Linkspartei: Kampf ums Realitätsprinzip
> Die Linkspartei trifft sich am Sonntag zum Programmkonvent. Parteilinke
> sind gegen Privatisierungen und Stellenabbau. Pragmatiker finden das zu
> dogmatisch.
Bild: Wo soll's denn hingehen? Linksparteichefs Lötzsch und Ernst.
Die Linkspartei trifft sich am Sonntag in Hannover zum Programmkonvent. 800
Genossen werden erwartet. Die neuen und alten Parteichefs, Klaus Ernst und
Gesine Lötzsch, Lothar Bisky und Oskar Lafontaine, werden Reden halten. In
acht Foren wird - von Eigentumsdebatte bis zur Friedenspolitik - der
Programmentwurf debattiert. Und es wird Krach geben, zumindest ein
bisschen. Denn der Entwurf trägt die Handschrift der Parteilinken Sahra
Wagenknecht. Die Hürden für Regierungsbeteiligungen der Linkspartei sind
deshalb sehr hoch - zu hoch, finden Ost-Pragmatiker, die die Partei öffnen
wollen.
Handfeste Kritik an dem fundamentalistischen Grundton des Entwurfs kommt
aus Sachsen. In dem Programmtext sind drei Kriterien für
Regierungsbeteiligungen der Linkspartei fixiert: kein Sozialabbau, kein
Stellenabbau im öffentlichen Dienst, keine Privatisierung. Der
Landesvorstand der sächsischen Linken fürchtet, dass die Partei sich damit
im Osten ins politische Abseits katapultiert. Wer "keinen Stellenabbau im
öffentlichen Dienst" angesichts einer schrumpfenden Bevölkerung "zum Dogma"
erkläre, mache Regierungsbeteiligungen faktisch unmöglich.
Auch Bodo Ramelow, Fraktionschef in Thüringen, hält die Formel "kein
Stellenabbau" für unbrauchbar. In Thüringen sei der öffentliche Dienst
derzeit für eine Million Einwohner zu viel konzipiert, eine Generalreform -
ohne Kündigungen, aber mit Stellenabbau - notwendig. "Wir werden das
Problem der Langzeitarbeitslosen", so Ramelow zur taz, "nicht über den
öffentlichen Dienst lösen können."
Ramelow plädiert für eine konstruktive Arbeit am Programm, das von einem
Parteitag im Herbst 2011 verabschiedet werden soll. Die Pragmatiker dürften
sich "nicht in die Schmollecke" zurückziehen. Vielmehr gelte es die im
Programmentwurf zu wenig berücksichtigten konkreten Erfahrung der
Linkspartei im Osten zur Geltung zu bringen. "Der Text", so Ramelow, "muss
geöffnet werden." Die Passage über das Internet sei "auf dem Stand der 80er
Jahre". Wer über Medienmacht rede und nur an Zeitungen denke, schreibe ein
Programm für das falsche Jahrhundert. Ramelow hat zusammen mit Parteivize
Halina Wawzyniak für Hannover den Text "Its the internet, stupid"
vorgelegt.
Streit ist in der stets mit viel Verve geführten Debatte um Friedenspolitik
zu erwarten. Stefan Liebich, der zum pragmatischen Flügel zählt, versucht
das generelle Nein der Linkspartei zu Bundeswehreinsätzen in Frage zu
stellen. Liebich will, dass die Partei in Einzelfällen, etwa Zypern oder
dem Sudan, zumindest prüft, ob ein Einsatz deutscher Blauhelme sinnvoll
ist. Die "Antikapitalistische Linke" (AKL) hält das für ein Manöver, um die
Partei regierungsfähig und zur Kriegspartei zu machen.
Die AKL hat für Hannover eigens eine Zeitung gedruckt: Titel "Freiheit
durch Sozialismus". Sahra Wagenknecht wirft darin alle Kritiker an dem
Programm in einen Topf und nennt die Pragmatiker in einem Atemzug mit
"bürgerlichen Medien" und "dem Verfassungsschutz". Jan Korte, pragmatischer
Bundestagsabgeordneter aus Sachsen-Anhalt, geht der Ton der Debatte auf die
Nerven: "Es hat sich ein unangenehmer Stil breit gemacht, innerparteiliche
Gegner verächtlich zu machen". Das, glaubt Korte, komme bei der Klientel
der Partei gar nicht gut an.
5 Nov 2010
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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