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# taz.de -- Debatte Nahost: Wie Läuse unter den Nägeln
> Die Jugendorganisation Free Gaza Youth macht erstmals auf ihre
> Lebensbedingungen aufmerksam. Wir dokumentieren den Aufschrei.
Bild: Kaum noch Hoffnung: Kinder und Jugendliche im Gaza-Streifen.
Fick dich, Hamas. Fick dich, Israel. Fick dich, Fatah. Fick dich, UN. Fick
dich, UNWRA. Fick dich, USA! Wir, die Jugend aus Gaza, haben Israel, die
Hamas, die Besatzungsherrschaft, die Verletzung der Menschenrechte und die
Gleichgültigkeit der internationalen Gemeinschaft so satt! Wir schreien, um
diese Wand des Schweigens zu durchbrechen, wir wollen diese Ungerechtigkeit
und die Gleichgültigkeit durchbrechen wie die israelischen F-16 die
Schallmauer; wir schreien mit der ganzen Kraft unserer Seele, um die
riesige Frustration rauszulassen, die uns auffrisst.
Wir haben die Bärtigen so satt
Wir sind wie Läuse unter den Nägeln, eingeschlossen in einem Albtraum, ohne
Platz für Hoffnung, ohne Raum für Freiheit. Uns stehen der politische Kampf
und die kohlrabenschwarzen Nächte mit den Flugzeugen über unseren Häusern
bis hier; wir können es nicht mehr sehen, wie unschuldige Bauern in der
Pufferzone erschossen werden, wenn sie sich um ihr Land kümmern. Genauso
wenig wie die bärtigen Typen, die rumlaufen und ihre Waffen missbrauchen,
um junge Leute, die für ihre Überzeugung demonstrieren, zusammenzuschlagen
oder einzusperren. Und wie sind wir die Mauer der Schande leid, die uns vom
Rest des Landes trennt und uns gefangen hält in einem Stückchen Land, so
groß wie eine Briefmarke.
Hört endlich auf, uns als Terroristen zu sehen, als hausgemachte Fanatiker
mit Sprengstoff in den Taschen und dem Teufel in den Augen! Wir haben die
Schnauze voll von den Experten, die voller Gleichgültigkeit Resolutionen
verfassen, aber zu feige sind, sich auf irgendetwas zu einigen. Wir sind
dieses beschissenen Lebens so müde, wir sind es so leid, von den Israelis
eingesperrt und von der Hamas zusammengeprügelt zu werden, während der Rest
der Welt uns vergessen hat.
In uns wächst eine Revolution heran, eine riesige Unzufriedenheit und
Enttäuschung türmt sich auf. Gelingt es uns nicht, diese Energie in etwas
umzuwandeln, das den Status quo infrage stellt und uns etwas Hoffnung gibt,
dann wird sie uns zerstören. Am 20. November liefen unsere Herzen endgültig
über. Offiziere der Hamas kamen zum Jugendforum [1][Scharek], einer der
führenden Jugendorganisationen - und zwar mit ihren Waffen, Lügen und ihrer
Aggressivität. Sie schmissen alle raus, verhafteten ein paar und verboten
die Arbeit von Scharek insgesamt.
Einige Tage später schlugen sie Demonstranten für Scharek zusammen und nahm
einige von ihnen fest. Wir leben wirklich in einem Albtraum, eingeschlossen
in einem Alptraum. Wir haben die Operation "Cast Lead" (Vergossenes Blei)
nur knapp überlebt, während derer Israel sehr effektiv die Scheiße aus uns
rausgebombt hat, tausende von Häusern zerstörte und noch mehr Leben und
Träume. Die Hamas sind sie nicht wie beabsichtigt losgeworden, aber sie
haben uns auf Ewigkeit Angst eingejagt und das posttraumatische
Stresssymptom verpasst, denn wir konnten ja nicht wegrennen.
Wir sind eine Jugend mit schweren Herzen. Wir tragen eine Traurigkeit in
uns, die es uns schwer macht, den Sonnenuntergang zu genießen. Wie soll das
auch gehen, wenn wir schwarze Wolken am Horizont und düstere Erinnerung
sehen, sobald wir die Augen schließen? Wir lächeln, um den Schmerz zu
verstecken. Wir lachen, um den Krieg zu vergessen. Wir hoffen, um nicht
Selbstmord begehen zu müssen, hier und jetzt.
Wir haben Israel so satt
Während des Krieges hatten wir das untrügliche Gefühl, Israel will uns vom
Erdboden tilgen. In den letzten Jahren hat die Hamas alles getan, um unsere
Gedanken, unser Handeln und unsere Wünsche zu kontrollieren. Wir sind eine
junge Generation, die an Raketen gewöhnt ist.
Wir haben die unlösbare Aufgabe, ein normales und gesundes Leben zu führen,
obwohl wir kaum toleriert werden von dieser Organisation, die sich in
unserer Gesellschaft wie ein Krebsgeschwür ausgebreitet hat, das alles
Lebendige abtötet und die Leute mit ihrem Terrorregime lähmt. Vergessen wir
aber auch nicht unser Gefängnis, das von einer sogenannten demokratischen
Regierung unterhalten wird.
Wir haben Angst
Die Geschichte wiederholt sich aufs Grausamste, und niemanden scheint das
zu kümmern. Wir haben solche Angst. Hier, in Gaza, haben wir Angst,
eingesperrt zu werden, verhört, geschlagen, gefoltert, bombardiert,
getötet. Wir haben Angst zu leben, weil jeder Schritt wohlüberlegt sein
will, überall gibt es Grenzen, wir können uns nicht bewegen, wie wir
wollen, manchmal können wir noch nicht mal denken, was wir wollen, weil die
Besetzung unsere Gehirne und Herzen so sehr okkupiert, dass es weh tut und
wir endlose Tränen vor Wut und Schmerz vergießen wollen!
Wir wollen nicht hassen, wir wollen all diese Gefühle nicht fühlen, wir
wollen keine Opfer mehr sein. Genug! Genug Schmerz, genug Tränen, genug
Leid, genug der Kontrolle, der Begrenzung, der unrechten Rechtfertigungen,
des Terrors, der Folter, der Entschuldigungen, der Bomben, der schlaflosen
Nächte, der toten Zivilisten, der schwarzen Erinnerungen, der düsteren
Zukunft, der herzerweichenden Gegenwart, der verstörenden Politik, der
fanatischen Politiker, der religiösen Scheiße, genug der Verhaftungen!
Wir sagen HALT! Das ist nicht die Zukunft, die wir haben wollen! Wir wollen
drei Dinge: Wir wollen frei sein. Wir wollen ein normales Leben leben
können. Wir wollen Frieden. Ist das zu viel verlangt?
Wir sind eine Friedensbewegung, die sich aus jungen Leuten in Gaza und
vielen Unterstützern zusammensetzt und die keine Ruhe geben wird, bis die
wahre Situation in Gaza wieder in allen Köpfen ist und dieser Konsens des
Schweigens oder der lärmenden Ignoranz durchbrochen ist.
Das ist das Manifest der Jugend von Gaza für die Veränderung!
Wir werden damit anfangen, das Gefängnis in unseren Köpfen aufzubrechen, um
unsere Würde und unsere Selbstachtung zurückzubekommen. Wir werden unsere
Köpfe hoch tragen, auch wenn wir auf Widerstand stoßen. Wir werden Tag und
Nacht arbeiten, um diese elenden Lebensbedingungen zu verändern. Wir werden
Träume entwickeln, wo wir auf Wände stoßen.
Wir wollen frei sein, wir wollen leben, wir wollen Frieden.
FREE GAZA YOUTH!
Aus dem Englischen von Ines Kappert
3 Jan 2011
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