# taz.de -- Kolumne Die Farbe Lila: Frauen gegen Frauen | |
> Feministin zu sein ist anstrengend, nervig, frustrierend. Die schlimmsten | |
> Kritikerinnen sind Feministinnen selber. | |
Lasst mich in Ruhe!", forderte Zeit-Redakteurin Ursula März vor Kurzem in | |
einem Essay. "Ein emanzipiertes Subjekt hat keinen Gefallen daran, ohne | |
Unterlass gemustert, beratschlagt, beurteilt, kurzum: gegängelt und | |
bevormundet zu werden", schrieb sie. Und ich denke mir: Ja, tatsächlich | |
wäre eine Pausetaste für den Geschlechterdiskurs schön. | |
Feministin zu sein ist nämlich viel zu oft ziemlich scheiße; es ist | |
anstrengend, nervig, frustrierend. Dem Klischee der frustrierten Emanze | |
begegne ich nicht selten - meistens im Spiegel. Aber wie sollten | |
Feministinnen auch nicht frustriert sein, wenn sich doch so ätzend wenig | |
tut in Sachen Gleichberechtigung. Und bitte jetzt kein "Frauen ging es vor | |
hundert Jahren viel schlimmer, es hat sich schon so viel getan". Ich wills | |
nicht hören, echt nicht. Ich will, dass mein Leben und das Leben von Frauen | |
heute gut ist. Wirklich gleichberechtigt. | |
Zu allem Überfluss wird über die mit den emanzipatorischen Forderungen | |
immer wieder diskutiert: Ist die überhaupt eine richtige Feministin? Denn: | |
Wer sich Feministin nennt, bekennt sich offenbar nicht einfach nur zu | |
bestimmten Werten, sondern muss sich einem ganzheitlichen Lebenskonzept | |
verschreiben und dieses bitte bis ins verstaubteste Eck ihres Leben | |
einhalten. Sie darf nicht die Stirn krausziehen, wenn die Waage wieder ein | |
Kilo mehr anzeigt. | |
Nicht "Germanys Next Topmodel" schauen. Sie muss den jüngsten Report von | |
Terre des femmes oder Medica Mondiale lesen, anstatt "Bridget Joness | |
Diary". So etwas wie gut gepflegte guilty pleasures, die jeder Mensch für | |
ein gesundes Ich braucht, sind für Feministinnen aber tabu - auf weniger | |
als ein perfektes Emanzenleben steht die verbale Steinigung im öffentlichen | |
Diskurs. | |
Das Schlimmste ist: Die größten Kritiker von Feministinnen sind andere | |
Feministinnen. Zum Erscheinen des Buchs "Wir Alphamädchen" diskutierten | |
Feministinnen jeglicher Couleur erst einmal, ob ich jetzt tatsächlich und | |
überhaupt eine echte Feministin sei. Die meisten kamen zu dem Schluss: Auf | |
keinen Fall! Zu mainstreamig, zu wellnessig, zu lebenslustig, gut gelaunt, | |
zu leicht verständlich, zu jung - ganz einfach zu unpassend. | |
Zeit-Redakteurin Ursula März schreibt über Frauen: "Zu erleben, wie sie | |
sich begegnen, sich gegenseitig belauern und bewerten, ist eine | |
deprimierende Erfahrung. Man steht dabei und möchte rufen: Lasst los! Dies, | |
diese Hysterie unfreier und unfreiwilliger Lebensplanwirtschaft, kann mit | |
Feminismus ja wohl nicht gemeint gewesen sein." Sie trifft damit mitten in | |
die Problemzone des Feminismus. | |
Das gegenseitige Belauern der verschiedenen emanzipatorischen Strömungen | |
ist fast schon so etwas wie das Markenzeichen des deutschen Feminismus. - | |
"Entspannt euch!" will auch ich rufen. Und vor allem: "Ihr werdet doch alle | |
gebraucht." Manche gesellschaftliche Missstände werden sich mit | |
Graswurzelarbeit beseitigen lassen, andere durch radikale Protestaktionen. | |
Warum soll es nicht beides geben? | |
Ich verstehe Ursula März Ruf nach einer Pause im Geschlechterdiskurs gut - | |
aber wenn meine "nur" sieben Monate Elternzeit dumm kommentiert werden, | |
wenn ich sexistische Werbung sehe oder Familienministerien Kristina | |
Schröder; dann hebt sich meine innere Faust: "Ursula, der Kampf geht | |
weiter." Tut mir leid. | |
19 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Susanne Klingner | |
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