| # taz.de -- Kommentar Tod von Amy Winehouse: Es ist zu authentisch | |
| > Der Kurzschluss von Werk und Leben bei Amy Winehouse ist erschütternd. | |
| > Und es ist furchtbar zu sehen, wie das Erwartete geschieht. | |
| Bild: Diese mit Amys Konterfei versehenen Kokspäckchen aus Rio deuten nicht au… | |
| Die Europatournee hatte ein großes Comeback sein sollen, doch schon der | |
| erste Auftritt am 18. Juni in Belgrad vor 20.000 Zuschauern war ein Fiasko. | |
| Offenbar schwer betrunken verpasste Amy Winehouse ihre Einsätze, vergaß die | |
| Texte ihrer Lieder, verließ zwischendurch die Bühne, auf der sie ganz | |
| verloren wirkte. Die Medien schreiben von einem "peinlichen Auftritt". Drei | |
| Tage später cancelte die große Soulsängerin ihre Tournee. Wir sprachen | |
| danach ein paar Tage über diesen Auftritt auf Facebook. Manche fanden es | |
| voyeuristisch, sich die Videos des Auftritts überhaupt anzuschauen, andere | |
| bedauerten, nicht dabei gewesen zu sein. | |
| In einem Film über das Leben einer großartigen Sängerin, die sich zugrunde | |
| richtet, wären diese Konzertszenen der emotionale Höhepunkt gewesen; das | |
| Scheitern ist groß; aber es ist auch großartig, wie es der angeschlagenen | |
| Sängerin gelingt, die anderthalb Stunden dieses Auftritts durchzustehen, es | |
| ist berührend, wie respektvoll die Musiker der Band ihr durch diesen | |
| Auftritt helfen. Es ist erschreckend, wie die Zuschauer noch vor der | |
| Sängerin ihre Lieder mitsingen. Und das Misslingen der Performance ist | |
| gleichzeitig ein Gelingen, macht die Songs noch authentischer. | |
| Die mitsingenden Fans wollen natürlich gern eine spektakuläre Geschichte | |
| leben, berühmt, schön und fragil sein, Drogen nehmen, trinken, wilde Dinge | |
| mit anderen schönen, kreativen Leuten machen und ständig in die Rehab | |
| müssen, anstatt sich mit wenig Geld und langweiligen Jobs durchs Leben | |
| schlagen zu müssen. Erschütternd ist der Kurzschluss von Werk - also der | |
| Summe all dessen, was öffentlich wird bei einem Star - und Leben. | |
| Erschütternd und furchtbar ist es zu sehen, wie das Erwartete geschieht. | |
| Und dass niemand da war, der auf sie aufgepasst hat. "There was no one at | |
| all" heißt es in "It seems so long ago", dem traurigsten Lied von Leonard | |
| Cohen, das von einer Freundin handelt, die sich 1961 erschoss. | |
| So authentisch hatte man es dann doch nicht haben wollen. Die heroischen, | |
| opfersehnsüchtigen Zeiten, in denen Musik, Rausch, Revolution und | |
| Selbstzerstörung verbunden zu sein schienen und auf der Bühne mit und vor | |
| Gleichgesinnten ausagiert wurden, in denen der frühe Tod - von Jim Morrison | |
| bis zu Che Guevara - die Echtheit des Werks beglaubigen sollte (und auch so | |
| vermarktet wurde), sind doch lange vorbei. 2008 hatte Amy Winehouse in | |
| einem Interview von ihrer Angst gesprochen, auch einmal zum "Club27" zu | |
| gehören. Zu den Musikern also, die wie Brian Jones, Jimi Hendrix, Janis | |
| Joplin, Jim Morrison und Kurt Cobain mit 27 starben. | |
| Nach Amy Winehouse trat übrigens der amerikanische Musiker Moby am 18. Juni | |
| in Belgrad auf. Er begann tatsächlich mit "Rehab". Seine Sängerin sang | |
| perfekt. Ihre Perfektion hatte etwas Obszönes. Unter ein Video vom Auftritt | |
| von Amy Winehouse in Belgrad, das ein Benutzer ins Netz gestellt hatte, | |
| schrieb jemand, es sei "ekelhaft", dieses Video am Tag ihres Todes ins Netz | |
| und sie damit bloßzustellen. Man solle sich an das Gelungene erinnern, das, | |
| was im Lied den Schmerz im Leben transzendiert und zu trösten vermag. | |
| 24 Jul 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Detlef Kuhlbrodt | |
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