# taz.de -- Verleihung des Europäischen Filmpreises: Lars von Triers Frau holt… | |
> Der Hauptgewinner glänzte durch Abwesenheit: Für sein Drama "Melancholia" | |
> wurde Lars von Trier gleich dreimal geehrt. Auch Tilda Swinton, Colin | |
> Firth und Michel Piccoli wurden ausgezeichnet. | |
Bild: Sie hält es mit ihm aus: Bente Froge, Ehefrau des dänischen Regisseurs … | |
BERLIN dpa | Das Festival von Cannes hat ihm wegen seiner missglückten | |
Hitler-Witze Hausverbot erteilt. Aber für die Filmwelt bleibt der | |
skandalumwitterte dänische Regisseur Lars von Trier ein Genie. Sein | |
Endzeitdrama "Melancholia" gewann beim 24. Europäischen Filmpreis in Berlin | |
drei Trophäen: als bester Film, für die Kamera und das Szenenbild. "Pina" | |
von Wim Wenders setzte sich in der Kategorie Dokumentarfilm durch - ein | |
Trostpflaster für die Deutschen. Diese waren bei der Gala am Samstag im | |
Berliner Tempodrom zwar auf dem roten Teppich stark vertreten, aber nicht | |
auf der Leinwand. | |
Ähnlich wie bei Vorjahressieger Roman Polanski fehlte auch diesmal mit von | |
Trier die Hauptperson des Abends. Der 55-Jährige hält sich seit Cannes mit | |
solchen Auftritten zurück. Mit gleich acht Nominierungen war "Melancholia" | |
der große Favorit. Es blieb aber eine zweieinhalb Stunden lange | |
Zitterpartie, bis von Triers Frau Bente Frøge stellvertretend den | |
Hauptpreis annehmen durfte. | |
Sie sagte, ihr Mann habe keine Nachricht für die Gäste der Gala: "Weil er | |
beschlossen hat, keine Statements mehr abzugeben." Aber sie solle dem | |
Publikum freundlich zuwinken. "Er ist sehr glücklich", erzählte Frøge nach | |
der Show. | |
## Engelke als Braut verkleidet | |
Aber der Reihe nach. Zum Auftakt schwebte Moderatorin Anke Engelke als | |
Braut verkleidet auf die Bühne, eine Anspielung auf Kirsten Dunst in | |
"Melancholia". Passend zu den düsteren Filmen des Jahres stellte Engelke | |
fest, man sollte diese Saison seinen Therapeuten mit ins Kino nehmen. | |
Von Triers Hauptdarstellerinnen wurden später von Arthouse-Königin Tilda | |
Swinton ausgestochen. Die Schottin ("We need to talk about Kevin") bekam | |
den Preis für ihre Rolle einer Mutter, die damit klarkommen muss, dass ihr | |
Junge Amok gelaufen ist. Der Regiepreis ging an die starke dänische | |
Filmfraktion: Susanne Bier holte für ihr Sozialdrama "In einer besseren | |
Welt" bereits den Auslands-Oscar. | |
Der 85 Jahre alte Franzose Michel Piccoli war für Nanni Morettis "Habemus | |
Papam" nominiert. Die Europäische Filmakademie wollte einen ihrer großen | |
Stars anscheinend auf keinen Fall leer ausgehen lassen, holte ihn auf die | |
Bühne und verneigte sich mit einem spontanen Sonderpreis. | |
Bester Schauspieler wurde Oscarpreisträger Colin Firth, der stotternde | |
König aus "The King's Speech". Der Brite ließ ausrichten: "Innerlich tanze | |
ich gerade!" Sein Landsmann Stephen Frears ("The Queen") gab philosophische | |
Einblicke, als er für sein Lebenswerk geehrt wurde. "Ich mache fröhliche | |
Filme, weil ich das Elend nicht mehr aushalte." | |
## Wenders rauft sich die Haare | |
Wenders war als Präsident der Filmakademie nicht nur Gastgeber, sondern | |
fieberte auch mit. Er sei ahnungslos wie alle anderen Nominierten, | |
versicherte er. Als Wenders schließlich den Preis gewann, raufte er sich | |
aufgeregt die grauen Künstlerlocken. "Ich bin Pina Bausch sehr, sehr, sehr | |
dankbar." | |
Vielleicht war es für ihn eine Einstimmung auf die Oscar-Verleihung, wo die | |
3D-Hommage an die 2009 gestorbene Choreografin Pina Bausch gleich in zwei | |
Kategorien starten könnte. Eine Tänzerin aus Bauschs Wuppertaler Ensemble | |
sagte, der Film sei ein großer Trost gewesen. "Pina, du fehlst uns!" | |
Die Mehrheit der 2500 Mitglieder der Filmakademie hielt "Melancholia" für | |
den besten Film des Jahres. Seine Bühnenpatin Nina Hoss nannte ihn ein | |
"Meisterwerk". Schon 1996 und 2000 hatte von Trier mit "Breaking The Waves" | |
und "Dancer In The Dark" seine europäischen Kollegen überzeugt. Den Wirbel | |
um von Triers Äußerungen in Cannes ("Ich bin ein Nazi") scheinen viele | |
überzogen zu finden. Regisseur Volker Schlöndorff sagte: "Das ist, glaube | |
ich, ganz anders gemeint gewesen." | |
4 Dec 2011 | |
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