------------------------------------------
Brief an den Herausgeber des Perlentaucher
------------------------------------------

Sehr geehrter Herr Chervel,

seit den Tagen seines Bestehens ist mir, als im Ausland lebendem Leser
des deutschsprachigen Feuilletons, der Perlentaucher mehr und mehr zum
unverzichtbaren Instrument geworden. Mag sein, dass ich das Blaettern in
einem Stapel druckfrischer Zeitungen am Fruehstueckstisch bisweilen
trotzdem vermisse, allein, der Informationsgehalt, der mir jetzt per
Mausklick zur Verfuegung steht, sollte mich dafuer entschaedigen. Dank
Ihrer und der Muehen und Bemuehungen Ihrer Mitarbeiter kann ich mich,
obwohl aus mitteleuropaeischer Perspektive weit vom Schuss, in einem
Ausmass ueber das kulturelle Geschehen informieren, wie es mir hier vor
Ort sonst kaum moeglich waere. Dafuer gebuehrt Ihnen mein Dank und den
bringe ich hiermit zum Ausdruck.

Aber was muesste ich tun, um den Perlentaucher dazu zu bewegen, zum
alten Layout zurueckzukehren (oder sein augenblickliches
Erscheinungsbild zu verbessern)? Seit des letzten Relaunches ist der
Textraum in der Uebersicht arg zusammengeschrumpft. Dass der Inhalt
komplexer und vielschichtiger Texte in wenigen Zeilen zusammengefasst
werden muss, liegt in der Natur der Sache und ist eine gewiss nicht
immer einfache Aufgabe. Dass aber diese Zusammenfassungen ihrerseits mir
nun auf der Startseite in oftmals lediglich fuenf Zeilen mit nicht mehr
als vier bis fuenf Woertern vorgestellt werden, ist entschieden zuviel
Kompression. (Und in der Uebersicht der Buecherschau des Tages kosten
die unnoetigen Abbildungen der Buchumschlaege weiteren Raum). Immer
oefter komme ich beim Ueberfliegen dieser paar Zeilen zu dem Entschluss,
davon wirklich nicht mehr lesen zu wollen (wohl ahnend, dass sich hinter
dem Link trotzdem interessante Themen verbergen koennen).

Was mich aber richtig aergert, sind die neu eingefuehrten Ueberschriften
in den Rubriken. "Von Gogooroo bis Woogywoo" "Leck-mich-am-Arsch-Tag"
"Geschwedet" "Es macht ding und dann dong" (eine Auswahl der
Ueberschriften aus dem ersten Viertel der heutigen Startseite); glauben
Sie wirklich, solcher Bloedsinn koenne den durchschnittlichen
Perlentaucherleser zum Weiterlesen animieren. Hoffentlich bin ich nicht
der Einzige, der sich solchem Stuss verweigert. Wie ich mir ueberhaupt
nur schwer vorstellen kann, dass nicht schon andere Leser ueber die
genannten Aenderungen geklagt haben. Man gewoehnt sich bekanntlich an
alles, deshalb habe ich mich aufgerafft, mich bei Ihnen zu melden, bevor
Sie es geschafft haben, mich gegen solche aergerlichen Neuerungen
abzustumpfen. Tun Sie etwas, die Sache ist es allemal wert.

Mit den besten Gruessen,
Matthias Jost

Und hier auch gleich die Antwort von heute Morgen:

Lieber Matthias Jost,

nun ja, die Ueberschriften moegen mal mehr mal weniger ueberzeugend sein
- aber immer nur "Heute in den Feuilletons" oder "Medienticker" wirkte
doch arg statisch. Wir koennen hier nicht so puristisch sein. Wir
arbeiten noch weiter am Relaunch, und ich werde Ihre Anmerkungen zur
Diskussion stellen.

Danke dafuer!

Und herzlich
Thierry Chervel
---------

Immerhin habe ich eine Antwort erhalten, sollte ich das nun als Erfolg
verbuchen? Es ist nicht mehr und nicht weniger, als ich erwartet hatte.

Aber die Ueberraschung ist perfekt, als ich danach auf die Homepage des
Perlentauchers wechsle: Es gibt fast nichts zu beanstanden, die
Ueberschriften bilden im Gegenteil einen solchen Kontrast zu den
gestrigen Beispielen, als haette Thierry Chervel sie noch einmal
persoenlich redigiert. Da kann es sich natuerlich bloss um einen Zufall
handeln!